Sonntag, 6. August 2023

«Eltern sehen sich nicht in der Verantwortung»: warum die Schule in Deutschland immer schlechter funktioniert

«Ich bin robust», sagt die Grundschullehrerin aus Berlin, «aber inzwischen gibt es Klassen, bei denen ich nicht mehr weiterweiss. Die Kinder schreien nur noch. Wenn irgendetwas nicht so ist, wie sie wollen, dann schreien sie. Keine Worte oder Sätze. Sie schreien einfach.» Wenn sie einzelne – besonders arabisch- oder türkischstämmige – Schüler ermahne, werde ihr von diesen häufig entgegengeschleudert, sie sei eine «Rassistin», sagt die 55-Jährige, die namentlich nicht genannt werden möchte – «von Drittklässlern!». 
Ein Schulleiter aus Nordrhein-Westfalen erzählt, dass zur Abschlussfeier vor den Sommerferien mehrere Väter im Muskelshirt erschienen seien: «Ein Mann telefonierte, während der Chor sang. Eine Mutter ist drei Mal zum Rauchen hinausgelaufen. Mehrere Eltern kamen zu spät. Ich musste meine sechsminütige Rede vier Mal unterbrechen und um Ruhe bitten.» Künftig werde man auf die Einladungen zur feierlichen Verabschiedung der Absolventen den Satz «Wir bitten um festliche Kleidung» drucken – und einen genauen Ablaufplan, der die Eltern darüber in Kenntnis setze, wie lange jeder einzelne Programmpunkt dauere und sie mithin ohne Zigarette oder Handy auskommen müssten. «Es hilft ja nichts», sagt der Schulleiter: «Wir können nur mit dem arbeiten, was wir haben.» 
 Die Disziplinprobleme in ihren Klassen seien oft so massiv, dass sie einigermassen zufrieden sei, wenn sie in einer 45-minütigen Schulstunde auf 20 Minuten effektive Unterrichtszeit komme, sagt die Lehrerin einer Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein: «Dann bin ich gut.»