Montag, 30. Dezember 2019

Verbrechen an den Kindern? Streit um Quereinsteiger an Schulen

Der Deutsche Lehrerverband hat eine unzureichende Qualifizierung von Quereinsteigern an Schulen scharf kritisiert. Diese sei „ein Verbrechen an den Kindern“, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der „Welt“ (Montag). „Innerhalb von zwei Wochen Uni-Absolventen, die noch nie etwas von Pädagogik und Didaktik gehört haben, per Crashkurs zur Grundschullehrkraft auszubilden, das ist doch absurd.“ Das zeige, wie gering die notwendige Berufsprofessionalität von der Politik geschätzt werde. 
Das Bundesbildungsministerium verwies am Montag auf die Zuständigkeit der 16 Bundesländer. Tatsächlich ist die Lage dort sehr unterschiedlich. In ganz Deutschland gibt es aber einen großen Bedarf an Lehrern. Das Problem dürfte in den kommenden Jahren andauern. Gründe sind unter anderem Pensionierungen, steigende Geburtenzahlen und Zuwanderung. Fachleute sind deswegen überzeugt, dass es ohne berufliche Umsteiger gar nicht gehe: „Auf mittlere Sicht werden wir in einigen Ländern nicht ohne Quereinsteiger auskommen“, sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), der „Welt“: „Wir sind uns darüber bewusst, dass diese auch entsprechend qualifiziert werden müssen.“ Im kommenden Jahr würden daher alle Länder ihre Bemühungen „weiter verstärken“, Quereinsteiger gezielt fortzubilden und zu qualifizieren. 

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Pisa-Studie: Deutsche Schüler bleiben Mittelmaß - China und Singapur ziehen vorbei

Berlin. Nach 2016 haben Deutschlands Schüler im internationalen Vergleichstest Pisa zum zweiten Mal in Folge Punkte verloren. Sowohl beim Lesen als auch in Mathematik und Naturwissenschaften haben sich die Werte in der aktuellen Pisa-Studie, die am Dienstag vorgelegt wurde, leicht verschlechtert. 

Was kam für Deutschland konkret raus? 
Im Bereich Lesen erreichten die deutschen Schüler einen Punktwert von 498 (2016: 509), in Mathematik 500 (2016: 506) und in Naturwissenschaften 503 (2016: 509). Zum Vergleich: Die Spitzengruppe mit mehreren chinesischen Regionen und Singapur kam auf Werte zwischen 550 und 590, Länder am Ende der Skala wie die Dominikanische Republik und die Philippinen auf Werte zwischen 325 und 340. Deutschland liegt weiterhin über dem OECD-Durchschnitt. Allerdings ist das keine Leistung, die „mit Glanz und Gloria vollbracht“ wurde, wie Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagt. Deutschland sei auch deshalb überdurchschnittlich, weil der OECD-Durchschnitt gesunken sei. Zudem wurde ein alter Befund erneut bestätigt: Schulerfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. 

Mitautor der Pisa-Studie im Interview

Interview mit Professor Michael Becker-Mrotzek, Mitautor des aktuellen Pisa-Berichts und Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln.

Bereiten Ihnen die Ergebnisse Sorgen?
Sehr große Sorgen bereitet mir der hohe, gestiegene Anteil leseschwacher 15-Jähriger, die lediglich die unterste Kompetenzstufe erreichen und auf dem Niveau der Grundschule geblieben sind. Am Gymnasien liegt der Anteil bei nur zwei Prozent, aber bei allen anderen Schulformen zusammen bei 29 Prozent. Fast ein Drittel an diesen Schulen kann kaum den Sinn eines Textes erfassen, ist mit diesen Fähigkeiten auch nicht ausbildungsfähig und hat schlechte Chancen auf einen Arbeitsplatz. Da muss unbedingt etwas passieren.

Wie kann es sein, dass Schulen die Kenntnisse nicht schon jetzt vermitteln und so große Schwächen bestehen?
Die Zahlen sagen wenig zu den Ursachen. Lesen und Schreiben lernen gehört zum Kerngeschäft der Schulen. Aber die Herausforderungen sind gestiegen und so ist wohl die Gruppe der lernschwachen Schüler zunehmend aus dem Blick geraten. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie abgehängt werden.

Was muss getan werden, um die Defizite zu beheben?
Die Bundesländer haben seit der Pisa-Studie 2000 viele Maßnahmen zur Leseförderung auf den Weg gebracht, aber vor allem punktuelle wie zum Beispiel Lesepaten. Die Lösung wäre ein systematische, durchgängige, umfassende Förderung der grundlegenden Fertigkeiten der Leseflüssigkeit und Lesekompetenz. Zum Beispiel mit häufigem lauten Lesen in der Klasse. In Köln haben wir zum Beispiel Erfolge mit der koordinierten Alphabetisierung gehabt, bei der Kinder auf Deutsch und Türkisch Lesen und Schreiben gelernt haben. Ein Programm, das 2020 startet, ist die Transferphase der Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“. Die Maßnahmen sollen an 2700 Schulen eingeführt werden. Außerdem muss die Kluft zwischen leistungsstarken und -schwachen Schülern in Deutschland abgebaut werden. Das kommt allen Kindern zugute.