Mittwoch, 4. Dezember 2019

Mitautor der Pisa-Studie im Interview

Interview mit Professor Michael Becker-Mrotzek, Mitautor des aktuellen Pisa-Berichts und Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln.

Bereiten Ihnen die Ergebnisse Sorgen?
Sehr große Sorgen bereitet mir der hohe, gestiegene Anteil leseschwacher 15-Jähriger, die lediglich die unterste Kompetenzstufe erreichen und auf dem Niveau der Grundschule geblieben sind. Am Gymnasien liegt der Anteil bei nur zwei Prozent, aber bei allen anderen Schulformen zusammen bei 29 Prozent. Fast ein Drittel an diesen Schulen kann kaum den Sinn eines Textes erfassen, ist mit diesen Fähigkeiten auch nicht ausbildungsfähig und hat schlechte Chancen auf einen Arbeitsplatz. Da muss unbedingt etwas passieren.

Wie kann es sein, dass Schulen die Kenntnisse nicht schon jetzt vermitteln und so große Schwächen bestehen?
Die Zahlen sagen wenig zu den Ursachen. Lesen und Schreiben lernen gehört zum Kerngeschäft der Schulen. Aber die Herausforderungen sind gestiegen und so ist wohl die Gruppe der lernschwachen Schüler zunehmend aus dem Blick geraten. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie abgehängt werden.

Was muss getan werden, um die Defizite zu beheben?
Die Bundesländer haben seit der Pisa-Studie 2000 viele Maßnahmen zur Leseförderung auf den Weg gebracht, aber vor allem punktuelle wie zum Beispiel Lesepaten. Die Lösung wäre ein systematische, durchgängige, umfassende Förderung der grundlegenden Fertigkeiten der Leseflüssigkeit und Lesekompetenz. Zum Beispiel mit häufigem lauten Lesen in der Klasse. In Köln haben wir zum Beispiel Erfolge mit der koordinierten Alphabetisierung gehabt, bei der Kinder auf Deutsch und Türkisch Lesen und Schreiben gelernt haben. Ein Programm, das 2020 startet, ist die Transferphase der Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“. Die Maßnahmen sollen an 2700 Schulen eingeführt werden. Außerdem muss die Kluft zwischen leistungsstarken und -schwachen Schülern in Deutschland abgebaut werden. Das kommt allen Kindern zugute.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen