Ulla Maass, 64 Jahre, ist Friseurmeisterin mit eigenem Salon in Hamburg, in dem sie derzeit allein arbeitet. Sie schult außerdem seit 16 Jahren Friseure in Deutschland und Österreich.
»Ich hatte den letzten Azubi vor knapp zehn Jahren. Ich habe es immer so gesehen: Ich durfte von den Besten lernen und mir ist es wichtig, mein Handwerk weiterzugeben. Ich wollte Auszubildende haben, die diesen Weg auch gehen wollten. Aber es ist immer schwieriger geworden, diese Menschen zu finden.
Das sehe ich ganz aktuell auch in meinen Seminaren. Ich leite Fortbildungen und besuche viele Salons in ganz Deutschland. Alle haben das gleiche Problem. Den jungen Leuten fehlt das Feuer für den Beruf, es mangelt an Wissbegierde. Woran das liegt? Es ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung und es fängt in den Elternhäusern an.
Die Krise der Ausbildung
Klassische Ausbildungen haben seit Jahren ein Imageproblem – und dann kam noch Corona dazu. Wer bildet Köche aus, wenn alle Restaurants geschlossen sind? Kann man per Video Haare schneiden lernen? Viele Ausbildungspläne platzten in der coronainfizierten Wirtschaft. Ein Desaster: für viele Jugendliche und junge Erwachsene, weil viele von ihnen niemals zurück in eine Ausbildung finden werden; für die Unternehmen, weil schon absehbar ist, dass bald in vielen Bereichen noch mehr Fachkräfte fehlen dürften.
Wenn ein Jugendlicher sagt, ich möchte Friseur werden, oder Maler oder Klempner, da sind die Eltern erst einmal enttäuscht. Jeder soll studieren. Das Handwerk verliert seinen Stellenwert – dabei haben wir ja gerade in der Pandemie gesehen, wie sehr wir alle darauf angewiesen sind. Aber die Wertschätzung ist mit den Jahren immer geringer geworden.
Ich bekomme viel weniger Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz als früher, Kollegen berichten dasselbe. Vor 20 Jahren hatte ich jedes Jahr 20 bis 30 Bewerbungen, jetzt sind es noch drei oder vier im Jahr. Viele machen sich noch nicht einmal die Mühe, überhaupt eine Bewerbung zu schreiben, sondern kommen einfach in den Salon und fragen mal – und erwarten, dass ich mir direkt eine halbe Stunde Zeit nehme.
Wenn jemand wirklich Eigeninitiative hätte und richtig Feuer für den Beruf zeigte, den würde ich auch heute noch nehmen. Obwohl ich mit Azubis so einiges erlebt habe: Unpünktlichkeit, Berufsschule schwänzen, kein Durchhaltevermögen, und dann sind die jungen Leute heute kaum noch kritikfähig.
Es wird ja immer gesagt: Friseur, das ist ein schwerer Beruf, da muss man den ganzen Tag stehen, und man verdient nichts. Aber den ganzen Tag sitzen, das ist doch viel schlimmer! Dieser Beruf ist so vielfältig. Wir sind Kreative. Wir sind Handwerker. Wir sind Kummerkasten und Therapeuten. Das ist anspruchsvoll, gibt einem aber auch sehr viel. Und wenn man seinen Beruf ernst nimmt, kann man auch gutes Geld verdienen. Man kann nur nicht als Azubi gleich Haare schneiden, und man ist auch nicht in einem Jahr fertig mit der Ausbildung.
Viele Jugendliche denken leider, sie wissen schon alles, weil sie auf YouTube oder Instagram irgendwelchen Stylisten folgen. Die wollen dann gleich stylen – und nicht den Arbeitsplatz aufräumen und für den nächsten Kunden vorbereiten. Aber diese Arbeiten gehören ebenso dazu, auch wenn sie nicht prickelnd sind.
Etliche Kunden haben mir gesagt: Wenn Sie nicht mehr ausbilden, wer sonst? Es stimmt schon: Ich habe dieses ganze Wissen. Ich sitze auf einem Schatz und würde ihn gern weitergeben. Es ist natürlich kein Beruf, den man mal eben so lernt. Man muss trainieren, trainieren, trainieren – wie im Sport. Ich trainiere auch heute noch und bilde mich laufend fort. Denn: Von nichts kommt nichts!«

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