Mittwoch, 12. August 2015

SPD denkt über G 8,5 nach

DÜSSELDORF. Nach sechseinhalb Wochen Sommerferien beginnt heute für rund 2,5 Millionen Schüler in Nordrhein-Westfalen wieder der Unterricht. NRW war Ende Juni als erstes der 16 Bundesländer in die Ferien gestartet und muss nun als erstes Land die Pforten seiner rund 6000 Schulen öffnen. Damit beginnt auch für 195 000 Lehrer wieder der Unterricht. Noch voller Spannung und Erwartungen gehen 148 200 i-Dötzchen an den Start - viele Grundschulen zelebrieren den Einstieg ins Schulleben aber erst morgen. 

 Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) besucht in den nächsten Tagen mehrere Schulen. Sie hat für das neue Schuljahr keine großen Reformen angestoßen, sondern will Lehrern, Eltern und Schülern Zeit gönnen, Weichenstellungen der vergangenen Jahre zu verdauen und zu justieren. Verbindlich werden zum neuen Schuljahr die Vorgaben des Ministeriums zur Entlastung der Schüler auf dem Weg zum "Turbo-Abitur". Im achtjährigen gymnasialen Bildungsgang werden unter anderem Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht, die Anzahl der Klassenarbeiten und Pflichtstunden begrenzt. Nicht alles muss vom ersten Tag an gelten - im Laufe des Schuljahres müssen aber alle Maßnahmen umgesetzt sein. Am Freitag hatte Löhrmann mehr Druck auf Schulen angekündigt, falls versprochene Entlastungen für die G8-Schüler verzögert würden. 
Die SPD ist sich aber offenbar nicht mehr sicher, ob Löhrmanns Vorgaben an die Schulen umgesetzt werden. Die Landtagsfraktion sucht inzwischen nach Alternativen zum "Turbo-Abitur". Auf einer Bildungsklausur Ende August will die Fraktion über einen "Plan B" beraten, falls Entlastungen weiter ausbleiben. "Wir werden abwarten, was in diesem Schuljahr geschieht", sagte SPD-Fraktionsvize Eva-Maria Voigt-Küppers gestern. Voigt-Küppers will auf der Bildungsklausur über erweiterte Wahlmöglichkeiten der Gymnasien zwischen G8 und G9 sowie über ein "G8,5" - der bayerischen "Mittelklasse plus" oder dem rheinland-pfälzischen Abitur nach achteinhalb Jahren - reden. "Wir können nicht fünf weitere Jahre die Hände in den Schoß legen", sagte Voigt-Küppers. "Falls es nicht funktioniert, müssen wir vorbereitet sein." 
Die Volksinitiative "G9 jetzt" war trotz 110 000 Unterschriften mit einem Antrag zur Rückkehr zum neunjährigen Abitur gescheitert. G8-Gegner Marcus Hohenstein hatte auf eine Forsa-Umfrage verwiesen, wonach 76 Prozent aller Bürger in NRW das "Turbo-Abitur" ablehnten. Schließlich ergebe es keinen Sinn, wenn Kinder von 8 bis 16 Uhr in Klassen lernen sollten. Diesen Kindern fehlten Freiräume für Sport, Freundschaften und außerschulisches Engagement. 
Zwei Entwicklungsstränge setzen sich fort: Immer mehr Kinder werden an Schulen eingeschult, die Bildungsgänge länger offenhalten und gemeinsames Lernen ab der 5. Klasse ermöglichen. Zugleich nimmt die Anzahl behinderter Kinder zu, die an Regelschulen unterrichtet werden. Dies fördert NRW mit einem Rechtsanspruch auf inklusiven Unterricht. Nach der Klage von 52 Kommunen wegen des Mangels an Integrationshelfern und Sonderpädagogen beim Unterrichten von behinderten und nicht behinderten Schülern in Regelschulen schloss die SPD ein "Nachsteuern" nicht mehr aus. Voigt-Küppers schlug vor, Sonderpädagogen an Schwerpunktschulen zu bündeln. Zudem soll für eine Änderung des Bundessozialgesetzes geworben werden, damit Integrationshelfer bei Gruppenarbeit mehrere behinderte Schüler betreuen dürfen. (EB/dpa)

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