Freitag, 4. August 2017

Leserbriefe: Lernmethoden müssen auf Prüfstand

Zum Bericht über NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), die das Verfahren "Schreiben nach Hören" für Grundschüler ablehnt, und Kommentar "Irrwege" von Florian Ludwig zum Streit über Lernmethoden schrieben vier Leser.


Als Großmutter von vier schulpflichtigen Enkeln in zwei Bundesländern verfestigt sich bei mir der Eindruck immer mehr, dass die Schulen unserer Kinder als Spielwiese von politisch und ideologisch verbohrten Verantwortlichen benutzt werden. Als Folge eines Umzuges innerhalb von Köln musste einer unserer Enkel nach der 2. Klasse Grundschule mit der Methode "Schreiben nach Hören" oder vielleicht doch "Lesen nach Schreiben" in eine Schule wechseln mit dem System "Buchstaben lernen, peu à peu Worte korrekt zusammenfügen und Lesen". Es dauerte nach dem Wechsel annähernd zwei Jahre mit anstrengenden Bemühungen der Eltern, Frust und Tränen des Enkels, bis sich die Noten im Fach Deutsch wieder eingependelt hatten. Fazit: Frau Minister Gebauer, Sie sind auf dem richtigen Weg, schaffen Sie die Methode "Schreiben nach Hören" beziehungsweise "Lesen durch Schreiben" ab. 
Heidi Möser  

Es gibt es wohl kaum einen Lebensbereich, der in so hohem Maße Spielball landespolitischer Profilierungskämpfe ist, wie die Schule. Jetzt stellt die neue NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer die in Grundschulen praktizierte Rechtschreibmethode "Lesen durch Schreiben" auf den Prüfstand. Und der Redakteur Florian Ludwig unterstellt ihr dabei, dass sie damit einen bildungspolitischen Glaubenskrieg fortsetze. Sein Argument: Es gebe keine belastbaren Studien, die dem einen oder anderen Lernsystem grundsätzlich Erfolg oder Misserfolg bescheinigen. So pauschal, so richtig. Wer ein wenig genauer recherchiert, kann aber aus den Forschungsdaten einige signifikante Ergebnisse herausfiltern: Der Heidelberger Professor Reinold Funke konnte in einer 2014 erstellten Meta-Analyse feststellen: "Die 'Lesen durch Schreiben'-Klassen erreichten damit in Klassenstufe 2 bis 4 signifikant schlechtere Rechtschreibleistungen als die Fibelklassen." Dabei gilt: Leistungsstarke Kinder aus bildungsnahen Familien kommen nach einer gewissen Wegstrecke in beiden Lernsystemen zu guten Lernergebnissen. Kinder mit "Risikofaktoren" wie Bildungsferne, Lernschwäche, Migrationshintergrund oder auch Dialekteinfärbung kommen in einem strukturierten Unterricht mit deutlichen Instruktionen/Korrekturen zu besseren Lernergebnissen als im offenen Konzept des "Lesen durch Schreiben". Bleibt die Frage, welche Vorteile das "Lesen durch Schreiben" haben könnte? Wenn dies auch nicht empirisch belegt werden konnte, so schildern etliche Lehrkräfte, dass die Kinder motivierter mit dem Schreiben beginnen würden. Die Äußerungen von Schulministerin Gebauer geben recht nüchtern genau die geschilderte Faktenbasis wieder. Ihre Initiative lässt hoffen, dass in der Schulpolitik endlich mehr Empirie statt Ideologie zum Tragen kommt. Handlungsbedarf besteht allerdings. Gültiger Bildungsstandard ist, dass Viertklässler "grundlegende Rechtschreibstrategien" beherrschen und beim Schreiben "orthografische und morphematische Regelungen und grammatisches Wissen" berücksichtigen können. In ländervergleichenden Tests zeigt sich aber, dass etwa ein Drittel der Schüler unter dem Niveau der Regelstandards bleibt. Höchste Zeit, dass die Lernmethoden auf den wissenschaftlichen Prüfstand kommen. 
Michael Schönefeld  

In 30 Dienstjahren habe ich viele Methoden kennengelernt, mit Kindern das Lesen und Schreiben zu erarbeiten. Ich machte unterschiedliche Erfahrungen mit den Lernerfolgen. Die Methode "Schreiben was du hörst" habe ich als Lehrerin nicht mehr praktiziert, jedoch aus anderer Sicht als Großmutter erlebt. Meine Enkelin schrieb im 1. Schuljahr zu dem Bild einer Birne "Bürne" und bemerkte: Ich weiß, dass man Bürne mit i schreibt. Aber ich muss schreiben, was ich höre, und ich höre ein ü. Das ist vielleicht ein schlagendes Argument für unsere neue Ministerin, dieser Methode den Laufpass zu geben.  
Gertraud Liertz  

Wenn es heißt "NRW-Ministerin lehnt es ab, Schüler zunächst ohne Rechtschreibkontrolle starten zu lassen", so ist das sehr zu begrüßen; denn wenn die Schüler nach dem Hören erst einmal falsch schreiben, prägen sich die falschen Wortbilder ein (zum Beispiel "Fate" statt Vater), und es ist erwiesenermaßen schwierig und bedarf großer Mühe, Falsches aus den Köpfen herauszubekommen, statt sofort das Richtige "hereinzubekommen". Trotz Fortschritten zeigt die Pisa-Studie für Deutschland immer noch große Defizite - kein Wunder bei allen Experimenten in der Schule: wie der Rechtschreibreform und ihren zahlreichen Korrekturversuchen, dem Zurückdrängen der Kulturtechnik "Schreibschrift", dem "Schreiben nach Hören" und nun auch noch der "Überfeminisierung" und dem Gender-Wahn. Man muss unterscheiden zwischen dem natürlichen Geschlecht - Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen, also gibt es männlich und weiblich - und dem grammatischen Geschlecht oder "genus": Maskulinum, Femininum, Neutrum. Es ist also ein Irrtum zu glauben, bei allen Substantiven auf -er handele es sich um einen "Mann". Das ist nur bedingt richtig, also: der - Lehrer, Schlosser, Bürger; aber der - Zähler, Füller, Hänger, hier handelt es sich je um ein Maskulinum, nicht um einen "Mann". Richtig wäre also zum Beispiel: Der Student - die Studenten (Männer und Frauen). Im Wort "Studentenausschuss" sind die Frauen mitgemeint. Man braucht also keine Klimmzüge zu machen und eine Partizipalkonstruktion wie den "Studierendenausschuss" zu kreieren. Keiner hat etwas gegen die "sinnvolle" Verwendung von femininen Wortformen, aber sie übertrieben und überflüssigerweise zu verwenden, das sollte vermieden werden und macht die Texte nur schwer lesbar und unübersichtlich, wie zum Beispiel Botschafter und Botschafterinnen, Politikwissenschaftler und Politikwissenschaftlerinnen, Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Man kann es gar nicht oft genug betonen: Der Mensch denkt in Sprache. Wer die Sprache manipuliert, manipuliert den Menschen - das ist gefährlich und zerstörerisch. Unsere schöne, ausdrucksstarke deutsche Sprache ist Träger von Kultur und Geschichte. Ohne deutsche Sprache gibt es kein Deutschland. Daher: keine Experimente mehr mit der Sprache! 
Dr. Maria Theresia Rolland 

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