KONTRAFUNK: Einige
Experten sprechen bei der Mathematik von einem eigentlichen Leistungs-Verfall.
Wie stellt sich dieser Leistungsrückgang zunächst in der Mathematik aus Ihrer
Perspektive, das heißt, aus der Sicht eines gymnasialen Lehrers?
HECHINGER: Ja, ich merke natürlich, dass die Schüler
allgemein Probleme haben, sich zu konzentrieren, Informationen von mir
aufzunehmen und aufeinander zu hören. Und dann ist es natürlich auch so, dass
wir oftmals im Klein-Klein hängen bleiben und nicht zu den großen Gedanken
kommen, weil wir auch in der zehnten Klasse noch einmal das Bruchrechnen
wiederholen müssen. Ich muss dann wieder eingehen darauf, wie man Brüche
addiert und subtrahiert, weil das einfach nicht da ist. Die Schüler können sich
das nicht merken oder haben es vielleicht auch nie richtig verstanden. Das
heißt, auch in mathematischen Elementarkenntnissen haben sie diese Defizite
festgestellt, die ja eigentlich internalisiert sein müssten.
Die Themen, die Sie jetzt angesprochen haben, ja,
das habe ich in Mathematik auch festgestellt. Die offizielle Bildungspolitik
wirkt dem entgegen, indem sie einfach das Niveau absenkt. Die Begriffe, die
verwendet werden, klingen alle fantastisch. Wenn man die Bildungspläne liest,
heißt es, unsere Schüler können so viel wie noch nie. Leider verbirgt sich
hinter den Begriffen oftmals nur ein ganz dünner Inhalt.
Und wie gehen Sie dann damit um, wenn Sie
diese Defizite feststellen? Sie haben gesagt, Sie müssen mit kleinen Schritten
arbeiten. Das heißt, Sie verlieren Zeit. Wie reagieren die Schüler dann darauf?
Was mir immer fehlt, ist die wirkliche Zeit zur
Übung, weil man auch einen gewissen Stoffplan durchbringen muss. Ich würde
sagen, die meisten Schüler können dem dann irgendwo noch folgen, aber es sind
natürlich die eher schwächeren, die dann darunter leiden, dass die Übungsphasen
fehlen. Und ganz ehrlich, eine Lösung, eine echte Lösung für dieses Problem
sehe ich nicht. Geben Sie dann den Schülern mehr Hausaufgaben? Irgendwie muss
man ja versuchen, diese Lücken zu schließen. Also ich versuche das immer im Unterricht,
im Gespräch mit den Schülern. Wenn ich merke, da ist jetzt ein Defizit, gehe
ich wieder neu durch, erkläre noch einmal kurz, male ein Bildchen, um auch in
der zehnten Klasse zu zeigen, warum man beim Bruchrechnen einen gemeinsamen
Nenner braucht. So versuche ich das zu machen: immer wieder Defizite aktuell
aufzuarbeiten.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass das eine
Folge der Digitalisierung ist, dass gerade in Grundrechenarten oder beim
Bruchrechnen oder in anderen mathematischen Bereichen hier tatsächlich Übung
fehlt oder sogar Übung verloren gegangen ist. Wie sehen Sie das?
Ja, ich denke, dass das Handy, das Smartphone
eine wesentliche Ursache für den Leistungs-Verfall ist. Stellen Sie sich mal
vor, Sie stehen an einer Bushaltestelle und müssen so einen Aushangfahrplan
lesen, wo die Stunden und die Minuten stehen. Wenn man das gar nicht mehr
trainieren muss, so einen Plan zu lesen, so eine Struktur zu lesen, sondern
einfach in seinem Smartphone fragt, wann fährt der Bus nach Hintertupfingen,
und das Smartphone sagt einem das, dann ist man eben nicht mehr gezwungen,
Strukturen zu lesen. In diesem Fall ist es so eine einfache Struktur wie ein
Fahrplan. Und das ist jetzt nur ein Beispiel. Viele Dinge funktionieren nicht
mehr, weil man nicht mehr planen muss, weil man nicht mehr kombinieren muss.
Dieses wunderbare Gerät hat einem sofort scheinbar alle Aufgaben gelöst, und
das wirkt sich, denke ich, auch in der Schule aus, in allen Fächern, auch in
Mathematik.
Stellen Sie denn auch fest, dass die Schüler
selbst darunter leiden, oder ist es ihnen lästig, wenn Sie dort intervenieren
oder wenn Sie ihnen eine Hilfe anbieten, wie man das Ganze verbessern könnte?
Es gibt nicht den Schüler. Es gibt sicher
Schüler, die darunter leiden, wenn man versucht, ein gewisses
Anforderungsniveau zu halten. Aber es gibt auch Schüler, die einem hinterher
dankbar sind. Wenn man sie dann vielleicht mal auf dem Abiball nach ein paar
Jahren trifft, sagen sie: „Wie schön, dass wir das damals bei Ihnen so gemacht
haben. Ich habe es später wieder verwenden können.“ Also den Standard-Schüler
würde ich sagen, den gibt es so nicht. Wir haben heutzutage an der Schule ein
riesiges Gefälle von Leistungsniveaus bei Schülern. Es gibt welche, die kaum
dem Unterricht folgen können, und wir haben natürlich auch sehr begabte Schüler
bei uns. Ich denke, als ich angefangen habe vor über 30 Jahren, war das noch
nicht so weit gespreizt wie das heute ist.
Aber Sie unterrichten an einem Gymnasium. Da
erwartet man doch eigentlich, dass man eher einen geringeren Anteil an
sogenannten schwächeren Schülern vor sich hat?
Ja, das sollte man erwarten, aber das ist nicht
mehr so. Man hat vor ein paar Jahren hier in Baden-Württemberg die
Grundschulempfehlung aufgehoben. Das heißt, es war der allgemeine Wille der
Politik, das allein ins Elternempfinden zu geben, ob man das Kind an ein
Gymnasium schickt oder nicht. Das war meiner Meinung nach eine
Fehlentscheidung, sicher nicht die einzige, aber darunter leiden wir natürlich
bis heute. Es wird jetzt gerade wieder umgestellt, wenn ich richtig informiert
bin. Es soll jetzt diese Grundschulempfehlung wieder kommen.
Darunter leiden aber auch sicherlich die
Schüler, wenn sie die Leistung nicht erbringen können. Gibt es dann nicht eine
relativ starke Durchfallquote oder Schüler, die dann das Gymnasium verlassen
müssen?
Das ist so. Wenn ich das dann mal anspreche auf
einem Elternabend, ja, die Wahrheit wird einfach nicht gerne gehört. Dann muss
man sehr vorsichtig sein. Tatsächlich ist es so, dass ich damit rechnen kann,
dass, wenn ich jetzt in der fünften Klasse, sagen wir, 30 Schüler habe, etwa 15
von denen am Schluss das Abitur machen. Das zeigt sich so über die Jahre
hinweg. Das ist mein Erfahrungswert. Das ist wahrlich ein ziemlich dramatischer
Dropout.
Jetzt möchte ich aber noch einmal auf die ganz
unterschiedlichen Schüler zurückkommen. Was passiert denn mit den Schülern in
der Mathematik, die sogenannten „Abgehängten“? Die gibt es ja auch. Die ruhen
sich auf ihrer schlechten Mathematiknote aus, weil sie mit anderen Noten, die
sie locker kompensieren können, daherkommen. Gibt es die bei Ihnen auch?
Die gibt es natürlich auch sehr oft. Es sind
gewisse Fächer wie Mathematik oder auch die Sprache Französisch, die vielen
Schülern sehr schwerfallen. Die haben früh auch schlechte Noten, wo eigentlich
die Eltern sehen können: „Okay, das ist vielleicht doch nicht die richtige
Schule für uns.“ Trotzdem kommen diese Schüler oftmals bis zur 7., 8. oder 9.
Klasse, vielleicht sogar bis zur 10. Klasse, weil es halt Ausgleichsmechanismen
gibt und sie in anderen Fächern dann vielleicht die 3 oder die 2 stehen haben, sodass
diese Schüler dann natürlich oft weiterkommen. Sie fühlen sich ja natürlich
nicht wohl, weil sie selber merken, dass sie überfordert sind. Natürlich mögen
sie das Fach Mathematik aufgrund dieser Umstände nicht. Das kann man ja
nachvollziehen.
Zeigen diese Ergebnisse aus den PISA-Studien,
dass es sicher nicht nur auf Mathematik bezogen, dieser dramatische Abfall,
sondern auch auf das Lesen, also die Sprachrezeption? Das spielt natürlich auch
in Ihr Fach mit hinein, denn auch die Mathematik wird über Sprache vermittelt.
Was haben Sie im Bezug auf diese sprachlichen Defizite bei Ihren Schülern
feststellen müssen?
Ja, vielleicht kann ich Ihnen eine kleine
Geschichte erzählen, die noch nicht lange her ist, erst ein paar Wochen. Erste
Stunde in einer fünften Klasse: Was macht man da als Mathelehrer? Man will ja
auch eine Stunde machen, die so ein bisschen das Fach spannend macht, etwas
Außergewöhnliches. Hätte ich irgendwelche Zahlenspielchen machen können? Dann
habe ich mir gedacht, ich habe mal vor Jahren so ein Gedicht gesehen in einem
Mathematikbuch. Da geht es um belebte und unbelebte Natur mit großen Zahlen. Vielleicht
darf ich Ihnen die ersten sechs Zeilen da mal vorlesen. Das Gedicht ist aus
„Des Knaben Wunderhorn“ und war früher mal in einem Mathematikbuch abgedruckt:
„Wie viel Sand in dem Meer,
wie viel Sterne oben her,
wie viel Tiere in der Welt,
wie viel Heller unterm Geld,
in den Adern wie viel Blut,
in dem Feuer wie viel Glut.“
Es geht also um große Zahlen oder um Dinge, die
mit großen Zahlen verbunden werden. Beim Lesen dieses Gedichts ist mir
aufgefallen, dass Schüler an gewissen Wörtern gestockt haben. Dann habe ich
einfach sicherheitshalber mal nachgefragt, was bedeutet eigentlich „Adern“?
Keine Antwort. Die Schüler wussten nicht, was das Wort „Glut“ bedeutet. Einige
Schüler wussten nicht, was das Wort „Hicken“ bedeutet. Als ich dann durch war,
kam eine Schülerin und meinte zum Schluss: „Das sei ein Fehler im Gedicht“, und
zwar in dem Satz: „Wie viel Tropfen in der See?“ Da müsste es heißen: „Wie viel
Tropfen in dem See?“ Ich bin darauf eingegangen und habe gesagt: „Ja, es gibt
beides: der See, die See. Was ist denn der Unterschied?“ Und kein Schüler
wusste es.
Jetzt weiß ich nicht, ob, wenn meine Schule nicht
im Südwesten Deutschlands wäre, sondern an der rauen Nordseeküste, ob das ein
geringeres Problem wäre. Ich bin nur nach dieser Stunde einfach richtig
geschockt gewesen, was für ein Sprachzerfall. Jetzt kommt also nicht nur, dass
Sprachstrukturen nicht mehr verstanden werden, logische Verbindungen,
Hauptsatz, Nebensatz, sondern dass jetzt auch wirklich konkrete Begriffe nicht
mehr verstanden werden. Die Schüler wussten das nicht. Und ich sehe jetzt also
sozusagen meine Aufgabe darin, nicht selber besser zu kontrollieren, wenn ich
spreche, weil ich einfach damit rechnen muss, dass die Schüler diesen Satz
jetzt nicht verstehen und dass ich den Schülern die Gelegenheit gebe, noch mal
nachzufragen: „Ja, was bedeutet jetzt dieses und jenes Wort?“
Sind das hauptsächlich Schüler mit
Migrationshintergrund in der Klasse, um die es jetzt geht?
In dieser Klasse sind ausnahmsweise relativ
wenige Schüler mit Migrationshintergrund. Also das ist sicher ein sehr großes
Problem, aber in dieser Klasse würde es also nicht zutreffen.
Jetzt würde ich aus der Sicht eines Schülers
natürlich argumentieren und sagen: „Herr Hechinger, wir haben doch Mathematik
und nicht Lyrik des 19. Jahrhunderts.
Ja, gut, das Wort „Lyrik“ würde der Schüler
wahrscheinlich nicht verwenden und „19. Jahrhundert“ auch nicht, aber genau
dieser Einwand kam tatsächlich von einem Schüler neulich mal.
Aber wir kennen natürlich alle die
Textausgaben aus dem Mathematikunterricht. Die einen hassen sie, die anderen
haben sie vielleicht sogar gelebt.“ Ich denke, hier ist das Sprachverständnis,
also das, was Sie auch eben gerade schon angesprochen haben, die Sprachlogik
wesentlich mehr gefordert. Wie sieht es dann bei diesem Aufgabentypus aus?
Also ich habe immer versucht, meinen
Mathematikunterricht auch als Sprachunterricht im Bereich der Sprachlogik zu
gestalten, damit die Schüler die Voraussetzung, die Behauptung eines Satzes
erkennen und wissen, was aus was folgt. Aber um solche Strukturen zu verstehen,
muss man in der eigenen Sprache einfach sicher sein. Wenn ich einen Gedanken
verschwommen habe, muss ich Sprache haben, um diesem Gedanken eine Kontur zu
geben. Nur dann kann ich ihn mit anderen Gedanken in Konkurrenz setzen, als
Ausfluss eines anderen Gedankens oder als Gegen-gedanken. Wenn mir diese ganze
Sprachlogik, aber auch die Wörter fehlen, dann gelingt das nicht mehr. Ich
glaube, dass ein großer Teil der Schwierigkeiten, die wir im Fach Mathematik
haben, an der fehlenden Sprachkompetenz in unserer Muttersprache liegen, also
gar nicht ursächlich im eigentlichen Rechnen, in der Geometrie, in diesen
ganzen mathematischen Prozessen.
Können denn die Schüler bis zum Abitur diese
sprachlichen Defizite, die sich eben vor allem auf die Sprachrezeption
beziehen, kompensieren? Läuft sich das aus oder schleppen die das bis zum
Schluss mit?
Ja, wir haben ja gerade eben
schon gesagt, dass viele Schüler in diesen 8 Jahren leider auf der Strecke
bleiben und nicht bis zum Abitur kommen. In der Regel sind diejenigen, die die
zehnte Klasse einigermaßen erfolgreich bestanden haben, die bestehen fast immer
dann auch das Abitur. Aber es ist natürlich so, dass unser heutiges Abitur auch
vom Niveau her einen wesentlich geringeren Anspruch hat. Viele Aufgabentypen,
die man früher gemacht hat, die immer so in Richtung Beweisen gehen,
argumentieren, das ist nur noch wenig vorhanden. Sagen wir, im Bildungsplan
steht es immer noch drin, nur wird etwas anderes darunter verstanden. Es wird
oft so verstanden, eine Rechnung auszuführen, die man irgendwie angesetzt hat.
Und wenn das dann rauskommt, dann ist der Beweis erbracht. Früher hat man unter
Beweisen etwas Tieferliegendes verstanden. Und wenn man Schüler auf so etwas
trainiert, dann können die durchaus natürlich auch das Abitur in Mathematik
einigermaßen bestehen.
Wir haben in Baden-Württemberg hier seit einiger
Zeit wieder ein sogenanntes Leistungsfach. Das ist fünfstündig. Da sammeln sich
dann die Schüler mit höherem Interesse an Mathematik. Und wir haben dann ein
sogenanntes Basisfach, das ist dreistündig, wo halt eben die Grundlagen gelegt
werden sollen für die Mathematik. Ja, ich darf jetzt nicht aus Abiturprüfungen
erzählen, aber es ist manchmal dramatisch, was man da erlebt. Glücklicherweise
gibt es noch andere Fächer, wo die Schüler solche Defizite in Mathematik
sozusagen damit ausgleichen können.
Sehe ich das richtig, dass auch in Hinblick
auf das Abitur bei diesen Prüfungen immer stärker auch Textaufgaben eingesetzt
werden?
Ich weiß es nicht genau, was Sie unter
Textaufgaben verstehen. Sehr oft ist es so, dass man versucht, eine
Scheinschwierigkeit zu erzeugen, indem ein verschwurbelter Text erst
entschlüsselt werden muss vom Schüler, der mathematische Inhalt dann aber nicht
besonders groß ist. Also manchmal wird mit solchen Tricks versucht, ein
gewisses Anforderungsniveau vorzutäuschen. Das Anforderungsniveau ist dann halt
eben: Wie finde ich jetzt aus diesem verschachtelten Text meine mathematischen
Informationen heraus? Und dann am Schluss sage ich jetzt mal, meine
quadratische Gleichung lösen zu können.
Ja, genau, das ist meine Vermutung gewesen.
Ich hatte auch solche Aufgaben gesehen, die allein mit dem reinen
Textverständnis eigentlich dann und auch einer gewissen sprachlichen
Gewandtheit gelöst werden können, so wie Sie es gerade sagen: eben dann ohne
vertieftes mathematisches Wissen hier ein einigermaßenes Ergebnis geliefert
werden kann. Wenn man sich jetzt vorstellt, was Sie am Anfang gesagt haben, die
großen Konzentrationsschwierigkeiten, dann kommen hier ja wirklich ein ganzes
Bündel an Aufgaben hinzu, die dann erklären, dass wirklich fast 50% dann den
ursprünglich geplanten Weg bis ins Abitur nicht erreichen können.
Wobei ich nicht weiß, Herr Rüdiger, ob das nicht
eigentlich fast schon immer so war. Vielleicht waren es keine 50%, vielleicht
waren es nur 35%. Aber seit ich eigentlich unterrichte, war es immer ein hoher
Prozentsatz an Schülern, die im Laufe dieser acht oder früher waren es 9 Jahre,
von der Schule gegangen sind, auf eine Realschule gewechselt haben oder auf ein
anderes Gymnasium gewechselt haben. Also das ist jetzt nicht ganz neu. Es ist
vielleicht in dieser Zahlenmenge, dass es wirklich so 50% sind, relativ neu.
Vielleicht, ja, aber ich denke, auch wenn es 30% sind, muss man doch eigentlich
einen Systemfehler feststellen.
Deshalb möchte ich Sie abschließend gerne noch
fragen: Unsere Sendung heißt „Lehrerzimmer“, und hier im Lehrerzimmer sprechen
wir offen alle Probleme an. Wie sieht es aber in Ihrer Schule, in Ihrem
Lehrerzimmer aus? Sind das Diskussionen, die da wirklich ernsthaft geführt
werden?
Also man kann mit Kollegen schon ernsthaft über
diese Probleme diskutieren und sprechen, wenn man in einem kleinen Rahmen sich
irgendwie gerade im Lehrerzimmer trifft. Sobald das Ganze einen offiziellen
Rahmen bekommt, irgendeinen Konferenztyp, irgendeine Fortbildung, irgendeinen
besonderen Tag, wo sich Lehrer zu Konferenzen treffen, ist das nicht mehr
möglich. Die Lähmung, die über unserem Land liegt in der politischen
Diskussion, die liegt auch über den Lehrerzimmern. Sobald es, wie gesagt, einen
offiziellen Charakter hat, wenn man dann versucht, mal so etwas anzusprechen.
Ich habe auch schon gelegentlich gesagt: „Ja, wir sollten uns vielleicht nicht
um diese Luxusthemen kümmern, sondern uns mal z.B. mit dem Thema Migration
beschäftigen. Was können wir tun, um uns vorzubereiten auf die Situation, die
noch schwerer, noch schwieriger werden wird, als sie jetzt zur Zeit ist?“ Ja,
da erntet man dann einfach nur Schweigen. Wenn man Glück hat, sagt der
Konferenzleitende dann noch: „Vielen Dank für Ihren Wortbeitrag.“ Also die
Angst, da etwas Falsches zu sagen, vielleicht in eine falsche Schublade
gestellt zu werden, die ist bei den Lehrern schon sehr groß. Es kann dann aber
passieren, dass man zwei Tage später auf dem Weg zur Toilette von einem
Kollegen angesprochen wird, der dann sagt: „Du, was du da neulich gesagt hast,
das sehe ich genauso wie du.“ Und wenn ich dann sage: „Ja, und warum sagst du
da nichts?“, dann will ich jetzt mich mal lieber nicht aus dem Fenster hängen.
Das ist leider so in Deutschland, ja, und auch in den Lehrerzimmern dieses
Landes.
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