Gegen eine höhere Qualität in der Bildung kann ja nun niemand ernsthaft etwas haben. Die Frage ist nur, ob alle Beteiligten unter Qualität dasselbe verstehen und ob die angestoßenen Maßnahmen den gewünschten Effekt haben. In Deutschland gibt es angesiedelt an der Humboldt-Universität in Berlin das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, kurz IQB. Was ist dessen Rolle und dient seine Arbeit wirklich der Verbesserung der Bildung im Land? Und wenn nicht, was bräuchten wir denn stattdessen? Darüber sprach Stefan Milius (KONTRAFUNK) mit Professor Dr. Bernhard Krötz, Mathematiker und Hochschullehrer an der Universität Paderborn.
KONTRAFUNK: Herr Krötz, Sie treten unter anderem mit Videos
auf YouTube immer wieder als Kritiker des Mathematikunterrichts in Deutschland
auf und bemängeln dessen Qualität. Da müsste Ihnen ein Institut wie das IQB ja
bestens bekannt sein, das sich der Qualitätsentwicklung in der Bildung
verschrieben hat. Aber vor ein paar Monaten haben Sie in einem Video mal
erklärt, noch nie davon gehört zu haben. Das müssen Sie uns zunächst mal
erklären, wie das kommen kann.
KRÖTZ: Ich bin eigentlich in das Ganze ein bisschen reingerutscht, weil ich ein Video gemacht habe über einen Ländervergleich zwischen dem Abitur in Deutschland und den Aufnahmeprüfungen in Indien für die IITs, die Indian Institutes of Technology. Das fiel verheerend aus. Bis dato war unser Kanal sehr klein mit 15.000 Aufrufen und 150 Abonnenten. Dieses Video hat jetzt bis heute, glaube ich, 300.000 Aufrufe, und innerhalb kürzester Zeit war ich dann in den Medien. Viele Leute wollten mit mir sprechen, und dann habe ich begonnen, auch mit den vielen Zuschriften, die ich von den Zuschauern bekommen habe. Wir haben mittlerweile mehrere Leitzordner gefüllt, um mich mehr in diese Materie einzuarbeiten, und dann bin ich eben auf das IQB gestoßen und was das mit Qualität in der Bildung in Deutschland zu tun hat.
Dann stellt es sich heraus: Ja, das ist so eine Art Monitoring. Also, es ist angesiedelt bei der Humboldt-Universität, und es werden da Vergleichsarbeiten geschrieben, die sind verbindlich in Deutschland in der dritten und in der achten Jahrgangsstufe und zwar in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik. Eine von diesen Vergleichsarbeiten habe ich auch mal besprochen. Dabei ist zu sagen, dass diese Arbeiten nicht öffentlich zugänglich sind. Jemand hat es mal kopiert, und ich habe dann eine PDF also auf der Suchmaschine ergattert. Die sind auch für jedes Bundesland verschieden, aber man kennt sie nicht. Man kennt auch die Bewertungsspiegel nicht. Die allgemeine Qualität von diesen Vergleichsarbeiten finde ich jetzt hier nicht gerade hilfreich, um einen Bildungsstandard in Deutschland beurteilen zu können. Aber das machen sie dann in ihrer Publikation. Es ist ähnlich wie bei PISA. Es wird also über die eigentlichen Tests nicht gesprochen, sondern nur über die Resultate.
Dann bekommen Sie dann so etwas wie beim letzten
Mal, dass ungefähr ein Drittel aller Grundschulkinder in Deutschland nicht
übertrittsreif sind für eine weiterführende Schule, dass man Defizite hat beim
Rechnen in Mathematik bei etwa 30 % und beim Lesen und Schreiben auch
durchschnittlich bei 30 %, wobei das von Bundesland zu Bundesland natürlich
differiert und von Schule zu Schule. Differiert, wie aussagekräftig diese Tests
sind und ob man die überhaupt, wie möchte ich sagen, man kann eigentlich keine vernünftige
Debatte darüber führen, wenn die Tests nicht öffentlich sind und wenn die
Bewertungsspiegel nicht öffentlich sind. Dann geht es eigentlich nicht, und das
ist sozusagen ein Hauptkritikpunkt. Der ist ähnlich wie bei diesen PISA-Tests.
Diese PISA-Tests sind nicht öffentlich, die Bewertungsspiegel sind nicht
öffentlich. Die Schulen, die daran teilnehmen bei PISA, sind nur eine ganz
kleine Anzahl von Schulen. Wir kennen das nicht, und dann wird uns irgendein
Resultat kredenzt.
Ja, und momentan ist das, was uns kredenzt
wird von dem IQB, dass es sehr besorgniserregend ist, was sicherlich auch
zutrifft, aber vielleicht aus anderen Gründen. Aber Sie waren ja wahrscheinlich
nicht allein mit dieser Unkenntnis über das IQB. Das ist nichts, was jetzt im
Volksmund irgendwie bekannt ist. Man bekommt den Eindruck, dass da irgendwelche
Institute oder Institutionen zugange sind in der deutschen Bildungslandschaft,
die überhaupt nicht irgendwie eine Durchdringung bei der Allgemeinheit haben. Haben
wir es hier mit einer Art Parallelwelt im Bildungswesen zu tun?
Ja, es ist schön, dass Sie das ansprechen. Das
IQB ist ein Teil der KMK, der Kultusministerkonferenz, und ich habe jetzt hier
mal ein Zitat von dem Altkanzler Helmut Schmidt, der in seiner Bilanz als
Politiker in dem Buch „Außerdienst“ erschien 2008, sich sehr kritisch über
diese Kultusministerkonferenz geäußert hat. Ich zitiere: „Einen eigenen
behördlichen Unterbau im Umfang eines mittleren Bundesministeriums geschaffen
und sich ganz erhebliche Kompetenzen angeeignet. Dabei sei diese Behörde weder
im Grundgesetz vorgesehen noch wird sie von einem Parlament kontrolliert. Ihre
Leistungsfähigkeit ist am besten an dem Rechtschreibungswirrwarr zu erkennen,
den sie zum allgemeinen Ärger angerichtet hat. Trotzdem haben sich die
Regierungschefs der Länder bisher nicht zur Abschaffung dieser dicht am Rande
der Legalität funktionierenden Behörde entschließen mögen. Es handelt sich
nebenbei gesagt um ein Paradebeispiel für die allgemeine Lebenserfahrung, nach
der eine einmal geschaffene Bürokratie die Tendenz verfolgt, ihre Kompetenzen
nach Möglichkeiten auszuweiten, jedenfalls aber ihre Existenz zu perpetuieren.“
Also eine sehr deutliche Kritik von Helmut Schmidt, der letztendlich für die sofortige Abschaffung dieser KMK plädiert. Und das ist eben gewachsen. Das IQB ist eine Monitoringbehörde, die von der KMK ins Leben gerufen worden ist und zwar, um verbindliche allgemeine Bildungsstandards in Deutschland zu etablieren, weil man eben die Unterschiede festgestellt hat zwischen den verschiedenen Ländern und das wollte man nicht mehr haben. Ein sehr gutes Abitur in dem Bundesland A muss ja ein sehr gutes Abitur in dem Bundesland B entsprechen. Das tut es nicht, und man hat eben begonnen mit dem IQB. Und dann gab es auch einen wissenschaftlichen Beirat. Das wird immer besser. Also das ist die ständige wissenschaftliche Kommission von sogenannten Experten, die dann hier beraten wird.
Und man unterwandert jetzt letztendlich das
föderale Prinzip, dass Bildung eigentlich Länderhoheit ist, und man arbeitet
sich mit dem IQB auf ein bundeseinheitliches Abitur z.B. vor, der einheitlichen
Abschlussprüfung in ganz Deutschland. Das IQB setzt dafür die Standards. Es
gibt da Aufgabenpools, an denen sich die Länder dann immer bedienen und
Aufgaben aus dem Pool auswählen. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann
haben wir auf dem Niveau des IQBs ein bundeseinheitliches Abitur oder insgesamt
bundeseinheitliche Abschlussprüfungen von der mittleren Reife bis zum Abitur
hin etc.
Das klingt für mich ein bisschen so, als wenn
Sie jetzt nicht einfach die Arbeit eines einzelnen Instituts kritisieren
möchten, sondern die Art und Weise, wie überhaupt Bildungsstandards in
Deutschland entstehen und umgesetzt werden. Und diese Vereinheitlichung, das
scheinen Sie nicht unbedingt zu favorisieren.
Na ja, man kann ja sagen, dass einheitliche
Standards, wenn sie hoch sind, etwas Gutes sind. In Deutschland haben wir das
aber, dass in manchen Bundesländern die Abiturientenquote beinahe zu 60 %
liegt, wie in Schleswig-Holstein, ich glaube Hamburg 55 %. In anderen Ländern,
wie in Sachsen, sind es 30 %. Die Kognitivität unter uns Menschen ist eben mal
gauß verteilt, und das ist vollkommen klar, dass ich als einer höheren
kognitiven Gruppe einfach mehr beibringen kann. Und dann habe ich also höhere
Standards. Hätten wir bundeseinheitliche Standards wie im bayerischen Abitur
der 80er Jahre, wenn das der bundeseinheitliche Standard wäre, dann hätte ich
natürlich nichts dagegen. Aber was mit dem IQB passiert ist, ist sozusagen eine
Angleichung nach unten, und die kann nicht zuträglich sein für unsere
Gesellschaft und für unsere Wirtschaft schon gleich gar nicht.
Also Deutschland nivelliert im Prinzip einfach
nach unten, legt die Messlatte immer tiefer, und das Ergebnis ist dann, dass
man Standards einhält, obwohl sie nicht mehr den Standards von früher
entsprechen. Verstehen Sie richtig?
Ja, das verstehen Sie sehr
richtig. Zum Beispiel ist das deutsche Abitur in der Schweiz nicht mehr
anerkannt. Wenn ein deutscher Abiturient an der ETH Maschinenbau studieren
möchte, muss er eine Aufnahmeprüfung in Mathematik schreiben, weil man dem
deutschen Abitur letztendlich keine Wertigkeit mehr zuspricht. Ich habe mir die
Abituraufgaben von verschiedensten Ländern angeguckt: Marokko, Gabun, Türkei,
Russland, Indien, auch China, die Eingangsprüfung an den chinesischen
Universitäten, und wir liegen im Vergleich zu all diesen Ländern massiv zurück,
auch hinter Marokko und hinter Gabun.
Es ist ja kein Geheimnis, dass die marokkanischen
Ingenieursstudenten die französischen einheimischen Studenten in die Tasche
stecken. Man weiß das, die sind sehr gut ausgebildet. Allerdings muss man
sagen, ist das Bildungssystem in Nordafrika sehr elitär. Es ist nur eine kleine
Gruppe, die dort das Abitur macht nach den alten französischen Standards, nach
den alten Standards des Baccalauréats. Und selbst in der Türkei ist das Abitur
deutlich anspruchsvoller als in Deutschland. In Russland so und so.
Na ja, es ist halt letztendlich
der Trend in der Gesellschaft zu einer vollständigen Egalisierung. Also alle
Menschen sind gleich, ja etc. pp. und dass man jedem alles beibringen könnte
und nur das richtige Konzept, wenn man das hat oder so, also das ermöglichen
würde. Das ist natürlich Quatsch. Das ist dieser Trend. Wir hatten in
Deutschland das erfolgreichste Bildungssystem der Welt. Wir haben die Menschen,
unsere Kinder, in kognitive Gruppen eingeteilt: Hauptschule, Realschule,
Gymnasium, und die allerschwächsten haben wir sonderpädagogische Förderung
gegeben. Und wir sind damit sehr gut gefahren, weil jeder in seinem Intervall,
in dem er sich befindet oder so, optimal ausgebildet worden ist.
Mittlerweile sind die Gymnasien sehr heterogen
geworden. Klassische Realschüler sitzen also im Gymnasium, und das kann
natürlich nicht gut sein. Und es geht halt nicht in einer Geschwindigkeit. Es
ist auch belegt, und das ist ein politischer Wille. Und dieser politische Wille
zerbricht gerade an den Realitäten.
Mir ist auch aufgefallen, dass Sie sich schwer
tun mit dem inzwischen sehr beliebten Begriff der Kompetenzen im Kontext mit
der Schule. Das Wort Kompetenz wird dort inflationär benutzt. Was genau
bekritteln Sie an diesem Ausdruck?
Wenn das Bildungswesen also
sagt, wir müssen Kompetenzen fördern, ja, diese Kompetenzen, das ist
letztendlich, man möchte fächerübergreifend unterrichten, sozusagen eine
Synopsis herstellen, also Bezüge herstellen. Das ist ja an sich nichts
Verkehrtes. Aber irgendwie haben die Leute das Glasperlenspiel von Hermann
Hesse nie gelesen. Das war ein klassischer Bildungsroman, den ich in der Schule
noch konsumiert habe, und da geht es um den Magister Ludi, den Meister des
Spiels, der sich erst dann, ja sozusagen herauskristallisiert, wenn alle
Disziplinen sauber erlernt worden sind. Und auch das ist das, was Humboldt im
Sinn gehabt hat. Erst wenn ich mein Handwerk gelernt habe, ja, kann ich über
Dinge vernünftig sprechen.
Alles, was vorher zusammengemischt
wird, das ist wenig sinnvoll. Beispiel oder so: Man nimmt diese ganze Bildung
für nachhaltige Entwicklung, wo man also sehr auf Nachhaltigkeit getrimmt wird.
Man spricht dann über Gase in der Atmosphäre oder welche Auswirkungen das sie
haben, ohne diese Gase zu kennen, was diese Moleküle sind. Und vielleicht
sollte man über diese Dinge dann erst in der Oberstufe sprechen, wenn die
Grundlagen aus der Chemie eben da sind.
Ja, und sich auf das beschränken, auf
was man wirklich sagen kann. Korrelation und Kausalitäten nicht verwechseln,
was man eben gerne tut. Kompetenzen, das ist es so. Man hat also die Mathematik
z.B. kompartmentalisiert, also in fünf Leitideen: Algorithmus und Zahl, Raum
und Form, Messen, Daten und Zufall und der Funktionsbegriff. Das ist eine
artifizielle Unterteilung. Und genauso werden dann die Aufgaben gestellt in
fünf verschiedene Kompetenzordnungen. Was hat mit Daten und Zufall zu tun? Was
mit Messen? Eine gute Aufgabe, die letztendlich auch einen Gedankenstrang hat,
die können Sie nach diesen Kompetenzvorgaben gar nicht mehr entwickeln.
Es ist auch in der Mathematik
vor allem also diese unglaubliche Versprachlichung der Mathematik von der
Grundschule an, die momentan also sehr woke ist. Und das ist eigentlich auch
nicht gut, denn Mathematik ist eben sprachreduziert. Die Sprache der Mathematik
ist universell: plus, minus, mal, geteilt, das ist Gleichzeichen, die Ziffern
sind gleich überall auf der Welt. Und das hatte eben dann auch zur Folge, dass
unsere Migrantenkinder in meiner Generation oftmals sehr gut waren in
Mathematik und schlecht in Deutsch. Und heute sind sie auch in Mathematik
schlecht, weil sie das gar nicht verstehen, was von ihnen verlangt wird.
Es ist sozusagen also ein
falscher Fokus, ein Schwerpunkt auf das Verstehen, was in der Entwicklung der
Kinder gar nicht möglich ist. Und die Probleme beginnen damit, dass man in der
Grundschule das Handwerk nicht mehr gelernt hat, das Rechnen, das kleine
Einmaleins nicht beherrscht, dass man also keinen guten Zahlbegriff hat, dass
man also mit den Zahlen nicht umgehen kann. Und dann transportiert sich das
weiter in den weiterführenden Schulen. Habe ich kein Verständnis von Zahlen,
kann ich nicht so einer Variable abstrahieren, und spätestens in der achten
Klasse ist die Mehrheit aller deutschen Schüler mit Mathematik auf Kriegsfuß,
was sie eigentlich nicht sein müssten, wenn die Grundschule ihre Aufgaben
ordentlich gemacht hätte.
Aber diese Kompartimentalisierung, die
hat man mittlerweile auch zwischen den Schulformen. Die Gymnasiallehrer
interessieren sich nicht für das, was die Grundschüler tun, und umgekehrt. Ich
habe mich da auch mal mit einer Landesleiterin in einem Bundesland unterhalten
und dann habe ich sie gefragt: Haben Sie sich mal mit den Grundschullehrern
unterhalten? Sie sagt: Nein. Ich sage: Haben Sie sich mal mit den
Realschullehrern unterhalten? Nein. Aber Sie diagnostizieren Probleme in der
fünften Klasse im Gymnasium? Ja. Ich sage: Warum reden Sie nicht mit den
Leuten? Ja, und genau das Gleiche ist mit den Universitäten und den Gymnasien.
Oder diese Bildungs... Wir haben hier keine Kommunikation mehr. Die in der
Schule machen irgendetwas und glauben, das wäre für die Universität relevant.
Ist es nicht.
Ein klassisches Gymnasium, was prozedurale
Lehrpläne hat, also auf die Wissenschaft hinzuarbeiten, die hat man
letztendlich entkernt mit dieser Kompetenzorientierung. Man hat die Inhalte
herausgenommen. Es wird Blabla, und das soll dann ein Abitur hergeben. Aber das
Abitur zertifiziert keine allgemeine Hochschulreife mehr. Das ist das Problem.
Und das deutsche Abitur, wie ich gesagt habe, Beispiel Schweiz, wird im Ausland
schon gar nicht mehr anerkannt. Und das sind eben auch die Konsequenzen. Mit
der Kompetenzorientierung gab es eine inhaltliche Entleerung unserer Lehrpläne.
Was Sie hier beschreiben, bedeutet ja nichts
anderes, als dass wir gewisse Schritte vorwegnehmen, ohne vorher die Grundlagen
zu bilden. Und jetzt ist die Frage, welche Auswirkungen das weiter hat. Wenn
wir es mal ein bisschen weiterspinnen, haben wir in welchem Zeitraum keine
deutschen Ingenieure mehr. Haben Sie da eine Ahnung? Weil diese Dinge, die
kommen ja immer verzögert, die Folgen.
Nein, wir sind eigentlich jetzt
schon da, und ich kann Ihnen das sagen. Also wir haben mittlerweile auch in der
Universitätslandschaft in Deutschland ein Zwei-Klassensystem. Nehmen wir mal
das Beispiel Maschinenbau. Wenn Sie das in Aachen studieren, beginnen Sie mit
1.000 oder mehr Anfängern. Also vor Corona waren es, glaube ich, 16.600 in dem
kleinen Regierungsbezirk, in dem ich bin, Ostwestfalen-Lippe. Wir bedienen 2
Millionen Menschen, hatten wir in der Regel 250 Anfänger bis 300 Anfänger
Maschinenbau. Mittlerweile sind wir runter bei 70. Studiert, von denen sind
vielleicht 20 bis 25, die in den Master übertreten. Momentan 20. Wenn das so
weitergeht, können wir den Studiengang an meiner Universität schließen. Und das
bedeutet, dass also für diese Region hier keine Ingenieure mehr ausgebildet
werden. Ob es schlecht ist, weiß ich nicht. Die können ja auch alle nach Aachen
gehen. Dort hat man dann die Möglichkeit, eben durch die größere Masse oder so
höhere Standards zu fahren. Aber allgemein denke ich schon, dass wir mehr
Ingenieure brauchen, vor allem gut Ingenieure. Es wird nicht alles abgelöst
werden durch moderne Technologien. Künstliche Intelligenz muss man eben auch
herstellen können, ja. Also, sie muss maßgeschneidert werden, also von
Ingenieuren, die wissen, was sie tun.
Und ich glaube, es ist mehr als naiv, ja. Also
hier, und das ist ja auch, also im Zuge dieser Digitalisierung, die hier als
große Hoffnungsträger verkauft wird, dass man also bald sozusagen auf dem Boden
der Tatsachen fallen wird. Wie sich das auswirkt, das weiß ich nicht. Es kann
ich Ihnen nicht genau sagen.
Aber die Politik spricht ja davon, dass man
die Standardqualitäten erhöhen möchte, was ja nur über das Bildungswesen läuft.
Hat das wirklich in der Politik niemand auf dem Radar, was Sie jetzt gerade
beschrieben haben?
Doch, ich denke, dass sie das auf dem
Radar hatten und dass es vielleicht sogar von langer Hand geplant war, als man
in Deutschland das Exzellenzsystem eingeführt hat. Die Eliteuniversitäten hat
man eigentlich schon eine Zweiklassengesellschaft an den Universitäten also
vorweggenommen. Die hat man jetzt, und das war sicherlich gewollt. Inwieweit
oder so, also diese Planungen dazu habe ich ja so keine Einsicht, aber die
Indizien weisen sehr darauf hin. Und wir laufen jetzt in eine Situation zu,
dass wir wahrscheinlich in Deutschland ein Drittel der Universitäten schließen
müssen, weil wir gar nicht mehr die Studienanfänger in dieser Qualität haben.
Ist eine Frage, ist es was Gutes, ist
es was Schlechtes? Wir haben ja mittlerweile doppelt so viele Studenten, als
wir das zu meiner Zeit hatten, also vor 30 Jahren. So Pi mal Daumen, wenn ich
das sehen mag. Aber es hat sich eben in den harten Fächern eben nicht
verdoppelt. Ja, in Mathematik wird's weniger, auch in den
Ingenieurwissenschaften wird's weniger.
Und wir haben also diese Studenten in Bereichen,
die wirtschaftlich aus meiner Sicht oder so deutlich weniger produktiv sind als
wie Absolventen im MINT-Bereich. Man darf ja Träume haben.
Wenn Sie mal einen Tag freie Hand hätten, was
würden Sie denn umgehend einführen zur Erhöhung der Bildungsstandards in
Deutschland? Gibt es irgendeine Maßnahme, die man schnell implementieren
könnte?
Oh, wenn ich König von
Deutschland wäre... Da gibt es ja das tolle Lied von Rio Reis. Ich würde das
IQB schließen, ich würde das KMK schließen, ich würde das Institut für
Pädagogik in den Naturwissenschaften schließen, ich würde das
Max-Planck-Institut für Erziehungswissenschaften in Berlin schließen, ich würde
das BIZ schließen. Ich würde all diese... Ich würde den Einfluss also von den
großen NGOs, vor allem von Bertelsmann oder so, also völlig wegstreichen. Ich
würde tabula rasa machen. Ich würde die Abiturientenquote bundesweit auf 20 %
beschränken. Ich würde zurückgehen zu einem gestaffelten Bildungssystem, was
die kognitiven Gruppen respektiert. Ich würde wieder Disziplin einfordern, das
ist eben auch ein Mangel. Ich würde die Durchgriffsrechte, die Disziplinierungsrechte
der Lehrer wieder stärken. Ich würde die Methodenfreiheit der Lehrer
wiederherstellen, vollständig. Ich würde die Lehrpläne wieder auf das
Wesentliche reduzieren, auf echte Inhalte, nicht 50 bis 200-seitige
Kernlehrpläne, sondern so, wie es früher war, auf wenigen Seiten reduziert.
Ich würde die Verantwortung
wieder an die Lehrer zurückgeben. Ich würde den Nachmittagsunterricht
abschaffen. Schule, wenn dann richtig, aber dann am Vormittag und dann mit
voller Kraft. Und am Nachmittag ist frei. Ich würde diese ganzen
Orchideenfächer aus der Schule abschaffen. Aber das ist natürlich nicht
gewollt. Und das, was ich eigentlich vorschlage, ist Folgendes: Wir sind
mittlerweile so divers, manche Menschen mögen es anders. Ich würde sagen, oder
so, wir gehen zum alten staatlichen Bildungssystem zurück, das, was der Staat
macht. Aber Sie haben die Möglichkeit, es zu machen, wie Sie wollen. Sie können
eine eigene Schule gründen, und die staatliche Quote, also diese Zuschüsse, die
Sie bekommen von 6.000 bis 8.000 €, je nach Schulform und Bundesland, werden
Ihnen dann gegeben.
Und wenn Sie dann eben eine andere
Schule haben möchten, es gibt ja interessante Modelle von Ganztagsschulen,
Gesamtschulen und so weiter, dann können Sie das machen. Ich würde sozusagen
das Homeschooling erlauben, ja, was auch in Deutschland verboten ist. Ich würde
wirklich hier eine echte Vielfalt in das Bildungssystem bringen, und dann
werden wir sehen, ja, also was erfolgreich ist und was nicht. Und ich würde auf
der Seite des Staates spielen, ja. Also ich bin in der Hinsicht ein Etatist,
und dann wollen wir mal gucken, ob das schlanke, effiziente staatliche
Bildungssystem nicht die anderen schlägt.
Das wäre das, was ich tun würde.
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