Freitag, 13. Juni 2025

Uralter Stundenplan zeigt, was an deutschen Schulen 2025 schiefläuft

Kinder sind überfordert und Eltern „stehen daneben“, kritisiert ein Schulberater. Mit einem Stundenplan zeigt er, welches Problem Deutschland an den Schulen hat. Ein alter Stundenplan aus dem Jahr 1924 zeigt, wie ein Montagvormittag an einer Dorfschule aussah: Religion, Rechnen, Sprache und anschließend drei Stunden Mittagspause. Dieses Dokument ist im Schulmuseum in Bern ausgestellt. Sammy Frey teilt auf LinkedIn ein Foto davon und bemerkt: „Heute sind die Tage vollgepackt: ein Wechselbad aus Fächern, Lehr- oder Betreuungspersonen, Mittagstisch mit Angeboten, am Abend muss man noch Hobbys und Hausaufgaben reinquetschen.“ 
Nach zwei Jahrzehnten als Lehrer arbeitet Frey nun seit zwei Jahren als Schulberater und unterstützt Lehrkräfte in schwierigen Schulsituationen. Er betont, dass die „vollgepackten Tage“ ein gemeinsames Problem in Schulen sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland darstellen. „Der Lehrplan ist viel umfangreicher geworden und die Stunden in der Schule reichen oft nicht aus, um alles zu erledigen und der ‚Rest ist Hausaufgabe‘“, sagt Frey BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Dies führe zu einer „sehr ungute Dynamik“. 

Ehemaliger Lehrer beleuchtet die problematische Entwicklung an Schulen 
Der Stundenplan von vor hundert Jahren verdeutliche: 1924 habe der Unterricht später begonnen, die Schüler hätten weniger Fächer und Lektionen pro Tag gehabtt, weniger Bezugspersonen und eine längere Mittagspause – „es hatte mehr Luft“, so Frey. Heute hingegen werde alles in den Tag gepresst, während „die Erwachsenen daneben stehen und den Kindern zuschauen, wie sie sich abmühen und teilweise zusammenbrechen“. Warum ist das so? „Der Druck in der Schule ist hoch“, stellt der 47-jährige Schulberater fest. Es gehe darum, den Lehrplan und die Lernziele „durchzubringen“ – um jeden Preis. Die Erholungszeiten seien dadurch stark verkürzt. Dies führe zu überlasteten Lehrkräften, Schulverweigerung und psychischen Problemen bei vielen Kindern. Frey betont die Bedeutung eines sportlichen, musischen oder praktischen Ausgleichs für Kinder. Frey findet trotzdem, dass Schulen nicht zum Stundenplan von 1924 zurückkehren sollten. Damals stünden Grundbildung und Gehorsam im Vordergrund, heute seien andere Fähigkeiten gefragt, wie Kommunikation, Kooperation, Kreativität und kritisches Denken. Dennoch meint er: „Man sollte Kinder nicht mit Wissen vollstopfen, sondern neugierig und wissensdurstig machen. Bis in die 3. Klasse klappt das noch ziemlich gut, aber der vierten lässt die Freude nach.“ 

Lehrerin beschreibt Probleme an deutschen Schulen – „wir schaffen es nicht“ 
Simone Fleischmann, Lehrerin und Vorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, bestätigt, dass die Stundenpläne in Deutschland in den letzten Jahrzehnten komplexer und voller geworden sind. „Die Anforderungen an Schule sind gestiegen“, erklärt sie gegenüber BuzzFeed News Deutschland. Mehr Herausforderungen in der Welt, würden mehr Kompetenzen bedeuten, die Schulen vermitteln sollen. „Dadurch haben wir entsprechend auch ein Ausufern bei Stundenplänen, Lehrplänen und Kompetenzzielen.“ 2025 seien engagierte Lehrkräfte notwendig, die in diesem „Dschungel an Anforderungen“ das Mögliche mit den Kindern umsetzen. „Wenn wir merken, dass Kinder Kernkompetenzen nicht mehr mitbringen oder Zukunftskompetenzen schwer zu vermitteln sind, braucht es einen individuellen Zugang“, so Fleischmann. Lehrkräfte seien willens und fähig dazu, „aber die Rahmenbedingungen lassen es nicht zu“, kritisiert sie. Bayern verliere daher viele Kinder im Laufe ihrer Schulkarriere. Der Fokus liege oft nicht auf individueller Förderung, sondern auf der Erweiterung von Anforderungen. „Und genau darin liegt das Problem: Wir schaffen es oft nicht, die Kinder wirklich individuell abzuholen“, sagt Fleischmann BuzzFeed News Deutschland. Auch Frey wünscht sich für Schulen, „dass man gesehen wird, in dem, was man kann, was man versucht und nicht nur in dem, was man nicht oder noch nicht kann.“

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