Dienstag, 29. Mai 2012

Also doch - Scheitern als Chance!

Auf dem Zeugnis steht "versetzungsgefährdet", der Freund hat sich eine Neue geangelt, und die Ausbildung nervt nur noch - die ersten Rückschläge im Leben müssen die meisten spätestens im Teenageralter verkraften. Manchmal scheint es so, als ob sich kleine Niederlagen in ausweglose Situationen verwandeln. Dabei steckt in den unangenehmen Erlebnissen Potenzial. Durch sie sammelt man Erfahrungen und kann die nächsten Herausforderungen besser meistern.
"Was mich nicht umbringt, macht mich stärker", heißt es. Das mag etwas hart formuliert sein, die Kernaussage aber stimmt. "Es ist inzwischen erwiesen, dass wir nicht durch die Erfahrungen anderer lernen, sondern nur durch unsere eigenen", sagt Jutta Stiehler vom Dr. Sommer-Team der Jugendzeitschrift "Bravo".
Egal, ob es um Probleme mit der Freundin, dem neuen Freund, den Eltern oder Sorgen in der Schule geht: Stiehler empfiehlt, sich erstmal zu fragen, was schief gegangen ist. "Nur wer sich kritisch analysiert, kann hilfreiche Antworten finden." Prinzipiell sei es wichtig, negative Gefühle ernst zu nehmen und als einen Bestandteil der eigenen Persönlichkeit zu begreifen, sagt Psychologe Manuel Tusch aus Köln. Nur so könne eine Veränderung stattfinden, die neue Kraft und Motivation gebe.
Wer seit längerem schlechte Noten schreibt, muss sein Lernverhalten hinterfragen. "Vielleicht habe ich immer erst kurz vor einem Test oder abends vorm schlafen gehen angefangen, Vokabeln zu pauken", sagt Stiehler. Dann könne es helfen, etwas Struktur ins Lernpensum zu bringen. Wer eine Woche vor dem Test anfange, zum Beispiel jeden Tag zehn Vokabeln zu lernen, sei wahrscheinlich besser vorbereitet und so den Anforderungen auch auf lange Sicht gewachsen. "Manchen kann es auch helfen, in der Gruppe zu lernen. Andere, die sich bisher immer mit der besten Freundin zum büffeln getroffen haben, konnten danach nicht mehr als vorher, weil die meiste Zeit gequatscht wurde. Da wäre es besser, in Zukunft alleine zu lernen."
Doch negative Erfahrungen und Rückschläge können auch noch auf andere Art hilfreich sein, erklärt Stiehler: "Wer keine Lust hat, zu lernen, kann sich in die unangenehme Situation, die er während der letzten verhauenen Klausur erlebt hat, zurückversetzen." Die Erinnerung schrecke wahrscheinlich ab, kann aber auch zur Vorbereitung auf den nächsten Test motivieren. Eine weitere Strategie sei es, sich andere anzugucken: "Wie gehen denn Mitschüler und Freunde mit solchen Problemen um? Vielleicht haben die eine interessante Methode entwickelt", sagt Tusch.
Wer trotzdem keine Lösung findet, sollte sich Hilfe holen. "Am besten beim Vertrauenslehrer oder Beratungsstellen", so Tusch. Egal, ob bei schulischen Problemen oder Stress mit Freunden - sich auszuquatschen sei immer gut, weil es Trost gebe, findet auch Stiehler. "Es ist wichtig, sich ein Netz von vertrauten Personen aufzubauen, von denen man weiß: So lange die da sind, ist alles nicht so schlimm." Diese Menschen seien Verbündete und Unterstützer. "Kurz gesagt: Fixpunkte, die ein Mensch im Leben braucht."
So lange Ausrutschern im Lebenslauf immer ein paar vorzeigbare Leistungen und viel persönliches Engagement entgegenstünden, sei sogar ein weniger gutes Zeugnis oder die abgebrochene Lehre kein Grund zu resignieren, sagt Karrierecoach Jürgen Hesse aus Berlin. "Personalchefs schauen schon lange nicht mehr auf den perfekten Lebenslauf. Viel mehr suchen sie nach interessanten Abschnitten im Werdegang." Trotzdem sollten sich Jugendliche überlegen, wie sie vermeintliche Schwächen erklären können.
"Wer die erste Ausbildung abgebrochen hat, sollte die Schuld nicht auf den Chef schieben. Besser ist es, zuzugeben, dass man sich zu wenig über den Job informiert hat. Inzwischen sei man besser vorbereitet." Nicht mal eine mittelmäßige Mathenote müsse das Aus für eine Bewerbung bei der Bank sein. "Ein freundliches Wesen, gute Vorbereitung und Kommunikationstalent gleichen kleine Schwächen beim Rechnen schnell wieder aus", sagt Hesse.

Quelle: Kölner Rundschau vom 29.05.2012

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