Samstag, 22. März 2014

Turboabi auf dem Prüfstand

BONN. Es ist erst wenige Wochen her, dass Sylvia Löhrmann erneut ein Plädoyer für die Schullandschaft in NRW hielt. Viele Wege führten zum Abitur, sagte die Schulministerin seinerzeit: Gesamt- und Sekundarschulen in neun Jahren, Gymnasien in acht Jahren, und auch über die Berufskollegs sei es möglich, die Hochschulreife zu erlangen. Im Blick auf andere Bundesländer und dortige Bestrebungen, die Gymnasialzeit wieder auf neun Schuljahre zu verlängern, sagte Löhrmann: "Wir können nicht alle paar Jahre das ganze System auf den Kopf stellen." Gilt das alles seit gestern nicht mehr?
Schließlich will sich die Grünen-Ministerin mit Vertretern von Schulen, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einen Runden Tisch setzen und über das achtjährige Gymnasium reden. Stellt sie nun das Projekt G8 sogar ganz infrage? Für Löhrmann ist die Antwort klar: Nichts von alledem trifft zu. Die Ministerin will sich vielmehr "vergewissern", wie sie selbst sagt, ob der 2010 erarbeitete, breit getragene Konsens über die Beibehaltung des G8 und die Optimierung der Schulzeitverkürzung noch gilt. Hintergrund für Löhrmanns Vorstoß ist natürlich, dass sich mit Niedersachsen in dieser Woche ein rot-grün regiertes Bundesland vom Turbo-Abitur verabschiedet hat und ab dem Schuljahr 2015/16 wieder zum neunjährigen Gymnasium zurückkehrt. Dass sich gestern im Düsseldorfer Landtag weder Oppositions- noch Regierungsfraktionen mit offiziellen Stellungnahmen zu Wort meldeten zeigt: Der Weg, den die Ministerin eingeschlagen hat, scheint tatsächlich von einer breiten Mehrheit mitgetragen zu werden - jedenfalls einer politischen. Auf der Sachebene zu klären, wie man G8 verbessern könne, sei jetzt das Gebot der Stunde, ist aus mehreren Fraktionen zu hören. Dem Beispiel Niedersachsen zu folgen und zu G9 zurückzukehren, sei hingegen nicht richtig. Löhrmann erinnerte gestern daran, dass die Landesregierung 2010 "nach intensiven Gesprächen mit Lehrer- und Elternverbänden und der Landesschülervertretung Handlungsfelder zur Optimierung des G8-Bildungsgangs erarbeitet" habe, die von den Gymnasien nach und nach umgesetzt würden. Konkret heißt das zum Beispiel: Die Schulen können Kernlehrpläne eigenverantwortlich umsetzen, neue Wege bei den Hausaufgaben gehen oder auch Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung flexibel einsetzen. Zudem machte Löhrmann deutlich, dass sich nur 13 von fast 630 Gymnasien dazu entschlossen hatten, G9 wiedereinzuführen, als die Landesregierung dies 2011 ermöglichte. Die Elterninitiative G-ib-8, die sich für die Rückkehr zu G9 ausspricht, hofft, dass Löhrmann "die Kraft aufbringt, sich einzugestehen, dass G8 ein Konstruktionsfehler ist" und dass die Überprüfung "ergebnisoffen" ausfällt, wie die Bonnerin Anja Nostadt gestern sagte. Die Ministerin könne nicht an der breiten Mehrheit vorbeiregieren, die das Abitur in neun Jahren wünscht. Orientieren soll sich NRW, so Nostadt, an Niedersachsen. "Es ist doch eine gute Sache, wenn die Regelschulzeit neun Jahre beträgt und die Überflieger das Abitur in acht Jahren machen", meinte Nostadt. Das sei für die Schüler ein gesünderer Weg als das derzeitige achtjährige Gymnasium.

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