Freitag, 12. Januar 2024

Schwaches Niveau der Klasse beeinträchtigt schulische Leistungen von Zuwandererkindern

Die schulischen Leistungen von Zuwandererkindern leiden einer aktuellen Studie zufolge besonders, wenn viele leistungsschwache Mitschülerinnen und -schüler in einer Klasse sind. Das haben Forscherinnen vom ifo-Institut und der Universität Mailand-Bicocca anhand von Daten aus Italien herausgefunden. Ihre Ergebnisse stellten sie am Freitag vor. 
Die Leistungseinbußen gelten demnach für migrantische Kinder, bei denen Faktoren wie diese zum Tragen kommen: Sie wachsen in einem sozial benachteiligten Umfeld auf und weisen ein geringeres schulisches Leistungsniveau auf. Sie sprechen zu Hause nicht die Sprache des Einwanderungslandes oder beide Eltern wurden im Ausland geboren. 
Ein Anstieg an leistungsschwachen Mitschülern in der Klasse um 10 Prozentpunkte – das sind zwei Schüler in einer durchschnittlichen Klasse mit 20 Kindern – verschlechtert die Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund demnach um etwa 0,75 Punkte. 
Sitzen also viele migrantische Kinder aus schwierigen Verhältnissen in einer Klasse mit vielen leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern, wirkt sich dies für sie ungünstig aufs Lernen aus. Auf sozioökonomisch besser gestellte Kinder mit migrantischer Herkunft habe der Anteil leistungsschwacher Mitschüler hingegen keinen Effekt, erklärten die Forscherinnen. Diese Kinder würden jedoch profitieren, wenn viele leistungsstarke Kinder in der Klasse sitzen. 

Forscherinnen: Klassen sollten besser durchmischt werden 
Für einheimische Kinder beobachteten die Forscherinnen andere Effekte: Der Anteil leistungsschwacher Mitschülerinnen und -schüler beeinträchtige ihre Leistungen nicht. Einheimische Schüler profitierten hingegen von einem im Schnitt hohen Leistungslevel. Interessanterweise würden diese Schulkinder auch nur von anderen einheimischen Schülern beeinflusst. Die Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund seien hingegen unerheblich für ihre Testleistungen. 
Das Fazit der Forscherinnen: »Zur besseren Förderung der Schülerinnen und -schüler mit Migrationshintergrund schlagen wir vor, Klassen stärker in Hinblick auf das Leistungsniveau zu durchmischen«, sagen Vera Freundl und Caterina Pavese. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund sei es wichtig, Maßnahmen zu deren schulischer Förderung und Integration zu ergreifen. 
Über die schulischen Leistungen von Kindern mit migrantischer Herkunft war zuletzt insbesondere im Kontext der Pisa-Studie diskutiert worden. Der Anteil der getesteten 15-Jährigen mit Zuwanderungshintergrund ist in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und liegt bei 39 Prozent. Dies umfasst sowohl Kinder, bei denen ein Elternteil im Ausland geboren wurde, als auch Schüler, die selbst im Ausland geboren sind. Ihr Anteil beträgt 9 Prozent. 
In fast allen europäischen Ländern sei die Mathekompetenz bei 15-Jährigen aus zugewanderten Familien geringer als bei nicht zugewanderten, heißt es im Pisa-Bericht. In Deutschland sei der Zuwanderungseffekt bei den Mathekompetenzen im OECD-Vergleich »überdurchschnittlich ausgeprägt«. 
Ähnlich wie die ifo-Forscherinnen erklärten auch die Pisa-Experten: Die geringeren Kompetenzen könnten »neben dem Zuwanderungshintergrund zu erheblichem Anteil durch ihre soziale Herkunft und den häuslichen Sprachgebrauch erklärt werden.« 
Bei Schülern aus Zuwandererfamilien, die selbst in Deutschland geboren sind, waren die Leistungen im Schnitt weniger rückläufig als bei gleichaltrigen Schülern ohne migrantische Wurzeln. Eine Pisa-Forscherin erklärte, dies könne daran liegen, dass die Kinder von Anfang an das deutsche Bildungssystem durchlaufen hätten und ihre Eltern oftmals besonders bildungsaffin und am Schulerfolg ihrer Kinder interessiert seien.

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