KURZZUSAMMENFASSUNG:
Chaos im Bildungssystem
Ratut kritisiert die mangelnde Struktur im Unterricht und das Fehlen klarer
Leistungsanforderungen. Sie beschreibt, dass die Kinder nicht dazu angehalten
werden, ordentlich oder diszipliniert zu arbeiten. Stattdessen wird ein Konzept
des "Lernens ohne viel Anleitung" propagiert, das in der Praxis
jedoch nicht zu funktionieren scheint.
Lehrer als Autorität
Ratut hebt hervor, dass die Rolle des Lehrers in Finnland herabgestuft
wurde. Lehrer werden duzend angesprochen, was ihrer Meinung nach die Autorität
der Lehrkräfte untergräbt und zu einem unruhigen Klassenraum führt.
Ideologisierung der Bildung
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Überhandnahme ideologischer Inhalte im
Unterricht, die oft zugunsten von Faktenwissen vernachlässigt werden. Ratut
fordert, dass die Schule sich wieder auf die Vermittlung harter Bildungsinhalte
konzentriert, anstatt ideologische Ansätze zu propagieren.
HIER das vollständige Gespräch:
KONTRAFUNK: Bildungswunder Finnland: So bezeichnet man lange Zeit das Land hoch im
Norden. Aber unter anderem PISA zeigt nun, auch in Finnland hat sich die
Situation an den Bildungseinrichtungen dramatisch verschlechtert, allerdings
schon seit Jahren. Wie kam es dazu? Das interessiert uns heute im Lehrerzimmer.
Bei uns ist Bile Ratut. Sie ist Schriftstellerin und
Wirtschaftswissenschaftlerin und vor allem Mutter dreier Kinder. Frau Ratut, es
gibt kaum noch Schulbücher in Finnland, viel Digitalisierung und die Qualitätskontrollen
wurden abgeschafft. Dafür gibt es Empfehlungen. Zudem gibt es das Prinzip
Lernen ohne viel Anleitung durch den Lehrer. Das scheint aber in der Realität
nicht sehr gut zu funktionieren. Wie erleben Sie das mit Ihren Kindern?
RATUT: Also in Finnland ist es so, dass meine Kinder inzwischen nicht einmal mehr
richtige Zeugnisse bekommen. Es gibt am Jahresende so einen Lappen, würde ich
das nennen, also relativ billiges Papier, wo dann viel sogar mit Handschrift
festgehalten wird, wie die Kinder in der Schule abgeschnitten haben. Und vieles
wird auch mündlich besprochen in einem halbjährlichen Bewertungsgespräch. Aber
das ist alles sehr, sehr in Watte gepackt. Also es gibt eigentlich kein
Leistungsprinzip mehr in der Schule, dass man von den Kindern auch mal
verlangt, wirklich die Zähne zusammenzubeißen und sich in eine Sache
hineinzuarbeiten. Oder es wird auch keine Ordentlichkeit verlangt oder keine
Disziplin. Also ich habe z.B. gesehen, mein mittlerer Sohn hat mir ein Formular
mitgebracht, das die Kinder ausfüllen sollten, und der hatte mir das Blatt
eines Klassenkameraden mitgebracht. Die Antworten dieses Klassenkameraden waren
so richtig hingerotzt, undeutlich und unleserlich geschrieben. Und die Schule,
aus meiner Sicht hier in Finnland, hält die Kinder auch gar nicht mehr dazu an,
in irgendeiner Form ordentlich zu arbeiten oder systematisch zu arbeiten oder
sich etwas systematisch anzueignen und dabei auch bestimmte Kriterien zu
erfüllen. Also es ist alles im Fluss, alles ist offen, die Ziele sind unklar
und entsprechend ist natürlich auch das Chaos.
Es hört sich sehr seltsam an: Lernen ohne viel Anleitung. Der Lehrer soll
hier das Konzept sein, aber so wie Sie das schildern, ist das eher strukturlos.
Das hängt sicherlich sehr auch an der Persönlichkeit des Lehrers. Das ist ja
immer so. Die Bildung ist ja etwas Organisches. Das ist ja nicht einfach ein
abstrakter Inhalt, der überall gleich ist. Auch wenn es auf den ersten Blick so
scheint, Mathematik oder Naturwissenschaften, das ist natürlich erstmal überall
gleich. Aber der Erfolg eines Bildungswesens hat sicherlich in erster Linie
etwas damit zu tun, welcher Lehrer da vorne steht. Also was ist das für ein
Mensch? Ich glaube, das ist ganz entscheidend. Und entsprechend ist das
natürlich auch hier so, dass es erfolgreichere Lehrer gibt und Lehrer, die
weniger Erfolg haben. Wenn ein Lehrer es versteht, sein Fach gut zu vermitteln,
dann hat er natürlich auch eher die Aufmerksamkeit der Schüler und kann es auch
besser strukturieren. Aber das finnische System hat natürlich auch den Lehrer
herabgestuft. Im Finnischen duzt man den Lehrer ja auch und man spricht ihn mit
Vornamen an. Und ich sehe das sehr problematisch, weil man natürlich den Lehrer
dann nicht mehr als Autorität ansieht, die über einem steht und Vorbild ist und
einem vorangegangen ist, sondern man beraubt den Lehrer eigentlich seiner
Position im Klassenraum. Und aus meiner Sicht hat das auch die Folge, dass der
Schulalltag wesentlich unruhiger wird. In den Klassenzimmern gibt es z.B. auch
Kopfhörer. Der Lehrer meines jüngsten Kindes hat meinem Sohn gesagt, wenn er
sich nicht konzentrieren kann, weil die anderen zu unruhig sind, dann soll er
sich die Kopfhörer nehmen, damit er dann in Ruhe arbeiten kann. Ich finde das
natürlich etwas seltsam, dass man so vorgeht, anstatt dass man die Kinder dahin
erzieht, dass sie eben auch alle ruhig arbeiten und keine Unruhe erst entsteht.
Der finnische Bildungshistoriker Jari Seiminen hat in einem Interview
gesagt, mit dem Deutschland Schulportal, die Kluft zwischen Rhetorik und
Realität ist immer größer geworden in den letzten 20 Jahren. Also er sagt, das
werden abstrakte Kompetenzen abgefragt oder vermittelt, anstatt wirklich
konkrete Lernziele und mit Beispielen auch den Lehrern zu geben, mit denen sie
arbeiten können. Erleben Sie das auch so?
Dem würde ich zustimmen. Also ich habe in letzter Zeit viele Gespräche
geführt mit Menschen in der Schule, also Lehrern und den sozialpädagogischen
Mitarbeitern dort und Therapeuten und so weiter. Und ich habe immer wieder
angemerkt, dass der Schule einfach auch die Inhalte fehlen, die überhaupt
vermittelt werden. Ja, dass da so wenig harte Fakten, harte Bildung vermittelt
wird. Also Kunstgeschichte, welche Epochen gab es, oder Grammatik oder
Mathematik, dass etwas einfach immer wieder geübt und erprobt wird und dass
viel zu viel ideologische Inhalte vermittelt werden. Wie z.B. in einem Buch zu
Naturwissenschaften steht drin, dass es schwierig ist, gegen den Wind zu laufen
und leichter mit dem Wind. Ja, das ist ja etwas, was man natürlich im normalen
Leben ganz natürlicherweise mitbekommt, dass das so ist. Dafür muss ich mein
Kind doch nicht in die Schule schicken. Das war natürlich jetzt noch nichts
Ideologisches, aber ideologisch wird es dort, wenn wir z.B. in dem Bereich
Sexualität gehen. Und die Kinder werden ja inzwischen von der Schule
aufgeklärt. Und wenn die Sexualität völlig geöffnet ist als Bereich, den man
einfach nur noch genießt und der Zusammenhang zur Familiengründung wird völlig
außen vorgelassen, dann ist das einfach nur noch Ideologie und gehört aus
meiner Sicht auch in der Form nicht an eine Schule.
Mhm, Sie sagen auch, das sei ein System der Gleichschaltung und Selbstbeweihräucherung.
Wie kann man sich das vorstellen?
Aus meiner Sicht, wenn die Schule sich darauf konzentrieren würde, einfach
Bildungsinhalte zu vermitteln und diese Bildungsinhalte dann auch noch
kulturbezogen sind. Also z.B. macht es ja in Finnland keinen Sinn, Kant oder
Goethe zu lesen, sondern eher finnische Autoren und finnische Denker, weil man
ja hier in Finnland lebt. Und dann kann man in der Randbemerkung auch mal ins
Ausland gehen. Also wenn es in der Schule um echte Bildung und echtes Wissen
geht, dann ist der Blick natürlich immer nach außen gerichtet. Also ein Kind
oder ein Jugendlicher lernt dann, was vor ihm alles schon war und gedacht
wurde. Und im Idealfall lernt es dann auch verschiedene Zugänge zu diesem
Wissen kennen, dass es also verschiedene alternative Denkformen nebeneinander
geben kann. Wenn das aber alles nicht mehr gegeben ist und alles ist nur noch
Ideologie, dann ist der Ankerpunkt des Kindes oder des Jugendlichen ja nur noch
es selbst. Den Kindern wird in der finnischen Schule einfach die ganze Zeit nur
vermittelt: Du bist ganz toll und dich darf man auch nicht kritisieren. Jede
Forderung von Leistung oder Disziplinierung oder Ordnung ist Kritik oder könnte
dem Kind schaden. Und die Bücher müssen auch das Kind unterhalten und der ganze
Unterricht muss irgendwie spannend und unterhaltsam sein. Dadurch legt man ja
immer wieder den Ankerpunkt im Ich oder im Ego des Kindes selbst und dadurch
entwickelt man natürlich eine Kultur, die vollkommen schwach jedem Zeitgeist,
was auch immer das ist, ob links oder rechts oder grün oder wie auch immer, dem
ist ein Kind oder ein Jugendlicher dann hilflos ausgeliefert, weil er ja gar
nicht mehr das Instrumentarium hat, um das, was er da sieht in der Welt zu
analysieren, unabhängig von seinem eigenen Ich.
Mhm, noch mal hin zum Thema Gleichschaltung. Wie empfinden Sie die
Gleichschaltung in der Schule? Wie macht sich das bemerkbar?
Also die finnische Kultur ist historisch wahrscheinlich schon eine recht
homogene Kultur und ein wesentliches Merkmal der finnischen Bevölkerung ist,
glaube ich, auch so etwas wie Neid. Also man grenzt sich sehr stark ab von dem,
was anders ist und ist auch schnell neidisch auf etwas, was anscheinend besser
ist. Also das ist natürlich dann schon mal in den Wurzeln gegeben und diese
Haltung führt natürlich sehr schnell dazu, dass auch in der Schule oder in der
ganzen Gesellschaft eine starke Homogenisierung da ist und man abweichendes
nicht frei betrachten und sich damit auseinandersetzen kann, sondern eher
ausgrenzt. Also ich sehe das auch schon in der Schule. Meine Kinder haben ja
auch einen deutschen Hintergrund und obwohl sie natürlich fließend Finnisch
sprechen und hier in die Schule gehen und ja gar nicht in dem Sinne mehr
Deutsch sind, werden sie aber doch als die Deutschen gesehen, weil sie
natürlich etwas anders sind als Leute, die immer hier auf dem Land gelebt
haben. Und ich glaube, im Vergleich zur deutschen Kultur, die ja wirklich sehr
tolerant und offen ist, ist die finnische Kultur schon sehr auf diese
Homogenität hin ausgerichtet.
Homogenität und Mitläufertum, sagen Sie sogar in Ihrem YouTube-Kanal, wo
Sie einen Beitrag über die aktuelle Situation in Finnland geschrieben haben.
Wenn ich Sie da zitieren darf: Diese geistige Wandlung eines Landes von einer
bezaubernden, stillen, fleißigen und ehrlichen Nation zu Kulturlosigkeit,
Mitläufertum und hohlem Konsum wird heute systematisch schon in der Schule
angelegt. Das hört sich erschreckend an.
Ja, das ist es leider auch. Und ich denke, wir
erleben das in ganz Europa, diesen Druck zu einem globalistischen Blick auf den
Menschen, der angeblich überall gleich ist. Und durch diese Herangehensweise
wird natürlich alles eigene, gewachsene, kulturelle, familiäre dann sehr
kritisch gewürdigt und auch schnell als Ballast abgeworfen oder als ewig
gestrig oder rechts. Sogar wenn man jetzt vielleicht 10, 15 Jahre zurückgeht,
dann waren die Finnen wirklich sehr freundlich und sozial. Und ich habe mit
vielen Ausländern hier in Finnland gesprochen und die erzählen mir auch, vor
nicht allzu langer Zeit war es so, wenn man einen Finnen nach dem Weg gefragt
hat, dann ist er mit ihnen noch eine ganze Weile mitgegangen und hat ihnen
wirklich den Weg bis zum Ziel gezeigt. Und inzwischen haben sich auch die
Finnen sehr zurückgezogen in ihre eigenen vier Wände und vermeiden alles
Soziale. Und durch die Coronageschichte ist natürlich das Soziale noch mal
zusätzlich unter Beschuss geraten und vieles ist dann eingestellt worden in
dieser Zeit. Und ich glaube, diese zunehmende Isolation hat auch dazu geführt,
dass eine bestimmte Gleichförmigkeit noch mal viel stärker durchmarschieren
kann.
Aus meiner Sicht: Finnland ist ja kein großes Land. Finnland hat 5 Millionen
Einwohner. Die Fläche ist zwar fast so groß wie Deutschland, aber von der
Bevölkerung her ist Finnland sehr überschaubar. Das heißt, eigentlich wäre es
gar nicht so schwierig, hier eine Gesellschaft zu bauen, die gemeinsam gut
funktioniert. Aber dadurch, dass man sich eben so ins Private zurückzieht und
dann eine Gesellschaft hat, in der man eigentlich auch nicht persönlich
Verantwortung übernimmt, sondern immer nach den Regeln schaut, haben Sie ganz
schnell so eine gleichgeschaltete Gesellschaft, in der alle im Gleichschritt
nach vorne marschieren. Und ich erlebe das immer wieder, dass es bestimmte
Regelungen gibt im Gesundheitswesen, im Schulwesen, die mir absurd erscheinen.
Und ich frage dann nach: Warum ist das so und so? Und das macht doch gar keinen
Sinn, dass das so und so und so geregelt wird. Aber man sagt mir dann immer:
Ja, ich sehe das genauso. Also man stimmt mir dann immer zu. Und die Antwort
ist aber: Es ist nun mal so geregelt. Ja, also man zieht sich immer auf diese
Position zurück.
Das ist eben das System und deshalb wird das jetzt so gemacht.
Und obwohl das Land so klein ist und man es ja über eine personale
Verantwortlichkeit regeln könnte, dass ich dort, wo ich stehe, als Lehrer, als
Arzt, als Psychologe Verantwortung übernehmen könnte für meine Entscheidungen,
aber die Leute haben davor Angst und verstecken sich dann hinter Abläufen und
Regelungen und führen die Dinge eben so durch, wie es vorgegeben ist, obwohl das
völlig sinnlos ist in vielen Dingen. Und das ist natürlich dann eine große
Gefahr für eine Gesellschaft, weil sie brauchen ja nur das System zu kapern.
Sie brauchen ja nur die Stellschrauben dieses Systems zu verändern und die
Ziele des Systems zu verändern, und dann haben Sie eine völlig andere
Gesellschaft, wenn die Menschen nicht gelernt haben, persönlich Verantwortung
zu übernehmen in diesem System.
Hm, das hört sich an wie ein blindes Vertrauen in Vorgaben und Politik.
Sehe ich das richtig?
Ja, genau. Ich meine, vor vielleicht 30 oder 50 Jahren war das finnische
System ja auch gut. Also die Menschen waren wirklich sehr ehrlich hier in
Finnland und sehr verlässlich und haben ihre Entscheidungen auch getroffen im
Sinne der Gemeinschaft, was gut für alle ist. Soweit man das... Ich meine, das
war natürlich auch nicht perfekt, aber es war eben doch ein System, das auf
Ehrlichkeit und Transparenz noch basierte und man kannte sich auch. Und jetzt
ist es ja so: Es gab eine massive Landflucht. Die sozialen Zusammenhänge sind
auseinandergerissen worden. In den Städten kennen die Leute oft ihre Nachbarn
im Wohnhaus nicht mehr und es gibt eben nicht mehr diese gewachsene Sozialität.
Und dann gibt es einfach nur noch diese harten Regeln, die umgesetzt werden,
die ja irgendwo herkommen, aber dann gar nicht mehr unbedingt Sinn machen. Und
um eben neue Regeln zu schaffen, brauchen Sie natürlich Demokraten, also
Menschen, die sich informieren, Menschen, die Debatten führen können, die
zuhören können, die sich auseinandersetzen können mit Dingen und die gemeinsam
im Sinne der Gemeinschaft dann auch Lösungen suchen. Aber dieser Menschenschlag
wird ja heutzutage gar nicht mehr gefördert und in der Schule wird er auch
nicht mehr ausgebildet. Ja, und natürlich ist das dann für eine Demokratie und
eine Gesellschaft, in der alle Menschen in ihrer Vielfalt und
Unterschiedlichkeit Platz haben sollen, ein großes Fragezeichen.
Was meinen Sie, warum galt aber Finnland dennoch trotz dieser Ereignisse,
die sich in den letzten Jahren gezeigt haben und deutlich auch gezeigt haben,
warum galt Finnland dennoch lange Zeit in Westeuropa als Vorzeigeland, gerade
in der Bildung?
Das hat sicherlich viel damit zu tun, dass man, wenn man etwas anderes
betrachtet, betrachtet man es ja meistens mit den eigenen Voraussetzungen. Ja,
und man kennt ja das andere gar nicht. Das fängt ja schon in der Ehe an, dass
man oft unzufrieden ist mit dem anderen, weil man ihn aufgrund seiner eigenen
Voraussetzungen betrachtet. Und natürlich, wenn Sie jetzt von Deutschland nach
Finnland schauen, dann sehen Sie nur die PISA-Ergebnisse, wie sie mal 2003
waren und setzen das blind in Bezug zu den deutschen PISA-Ergebnissen, ohne zu
vergleichen: Was steckt denn da alles dahinter? Dinge sind ja nicht einfach
vergleichbar, sondern um etwas zu verstehen, muss man ja oft in dieses andere
System hineinspringen oder zumindest anerkennen, dass da ganz viele andere
Zusammenhänge gegeben sind, die man in dem Moment gar nicht kennt. Und über
Finnland weiß man ja oft gar nichts, außer dass es viele Mücken gibt und dass
es im Winter sehr kalt ist oder solche Dinge. Daher denke ich, sollte man immer
bei solchen internationalen Vergleichen auch hergehen und sich das Land einfach
mal genauer anschauen. Bei der letzten PISA-Studie haben ja die asiatischen
Länder sehr gut abgeschnitten. Und das ist aber auch die Frage, ob man so ein
System wie das asiatische nun haben will. Ja, also das macht ja auch nicht
unbedingt Sinn, nur weil etwas gut bei PISA abschneidet. Ja, was misst man denn
da überhaupt?
Wie sehen das denn Ihre Kollegen oder Eltern oder Bekannte? Sind Sie da
mit ihrer Ansicht relativ alle auf weiter Flur oder haben Sie viele Bekannte,
die sagen: Ich sehe das genauso?
Ja, da haben Sie natürlich wieder diese finnische Gleichförmigkeit. Also in
dem Moment, wo Sie ausscheren und etwas anders betrachten, stoßen Sie hier
einfach an Wände. Also wenn Sie das System kritisch betrachten und egal, wie
Sie das begründen, das kann man ja alles sehr gut begründen, warum man etwas
kritisiert, dann wurde das einfach bisher nicht gehört. Und alles das, was
jetzt PISA eigentlich gezeigt hat, das war mir eigentlich von Anfang an klar.
Und jetzt wird es natürlich für die finnischen Behörden und die Lehrer auch
durch diese PISA-Studie langsam klar. Aber da hier eine gewisse Kultur der
Auseinandersetzung über die Inhalte fehlt, weil eben alles in gewisser Form
homogen und gleichgeschaltet ist, rein historisch schon, gibt es eigentlich
hier keine großen Möglichkeiten, etwas anzusprechen, ohne dass das Land schon
in den Abgrund gerutscht ist, sozusagen.
Ich habe in der Schule öfter schon dieses Problem der Digitalisierung angesprochen und auch erklärt: Erstmal ist das ein Eingriff in die Erziehung der Familien, weil vielleicht will nicht jede Familie, dass die Kinder am Bildschirm lernen. Also ich möchte das eigentlich nicht. Ich möchte, dass meine Kinder mit der Hand schreiben, dass meine Kinder Bücher lesen, auf Papier schreiben, in der realen Welt etwas sich anschauen und nicht an einem Touchscreen rumwischen. Und ich habe das ganz oft in der Schule erklärt, welche negativen Konsequenzen mit dieser Form der Bildungsvermittlung verbunden sind: der Verlust der Handschrift, der Verlust der analogen Welt, die man erkundet, einfach durch Greifen und Fassen und reales Handeln in dieser Welt. Und aber diese Punkte haben eigentlich nur zu Schulterzucken geführt. Und das ist ja auch klar, ich habe ja dort als Mutter gestanden und nicht als Expertin. Aber natürlich, was ich hier immer so interessant finde, ist: Man wird dann als Mutter immer wieder gefragt: Ja, möchtest du auch noch hier etwas dazu sagen? Und dann sagt man vielleicht noch etwas dazu, aber es hat eigentlich gar keine Konsequenz, weil das einfach nur so eine höfliche Floskel ist, aber man eigentlich gar nicht wirklich hören will, was die Mutter da zu sagen hat.
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