Sonntag, 27. Juli 2025

„Flut an Einser-Abis“: Lehrerverband schlägt Alarm – Zahlen aus Ostdeutschland stechen hervor

Berlin
– In Deutschland hat sich eine Diskussion um die wachsende Anzahl von Einser-Abitur-Abschlüssen entfacht. Bildungsexperten und Politiker warnen vor einer möglichen Entwertung des höchsten deutschen Schulabschlusses, während andere die Entwicklung als Zeichen eines verbesserten Bildungssystems sehen. 

Lehrerverband schlägt Alarm: Abitur droht Entwertung – „Flut an Einser-Abis“ 
Der Deutsche Lehrerverband hat sich besorgt über die zunehmende Zahl von Abiturienten mit Bestnoten geäußert. Stefan Düll, Präsident des Verbandes, kritisierte gegenüber der ARD: „Es gibt eine Flut an Einser-Abis“. Obwohl er betont, dass das Abitur nach wie vor eine anspruchsvolle Prüfung sei, warnt er davor, an der Qualität „herumzudoktern“. Diese Aussage deutet auf die Befürchtung hin, dass die steigenden Bestnoten nicht unbedingt mit einer Verbesserung der Bildungsqualität einhergehen. 
Die Statistik der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zeigt: Die Zahl der Einser-Abis hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Waren es 2011 noch sieben Prozent der Schüler, die eine Eins vor dem Komma stehen hatten, waren es 2021 bereits 14,3 Prozent. Hier spielen auch die Pandemiejahre eine Rolle. Während des Lockdowns fand bundesweit teils über Monate kein geregelter Unterricht statt. Im Heimunterricht konnte der Stoff nicht lehrplangerecht aufgeholt werden. Dem angepasst haben mehrere Bundesländer Erleichterungen für Schüler eingeführt. Das äußerte sich in mehr Zeit für die Prüfungsvorbereitungen als auch mehr Zeit in den Abschlussprüfungen. Zudem wurden der Lehrplan stärker auf Prüfungsthemen eingegrenzt. 
Regional gibt es in den Ergebnissen Unterschiede. In Thüringen war der Anteil der Einser-Abis am höchsten. Fast jeder fünfte Schüler erzielte dort 2022 einen Abiturschnitt von 1,4 oder besser. In Sachsen lag der Anteil bei 16,7 Prozent, während in Hessen, Brandenburg und Berlin jeweils mehr als 15 Prozent der Abiturienten einen Einser-Schnitt erreichten. Die niedrigsten Anteile an Einser-Abituren wurden in Schleswig-Holstein mit 8,6 Prozent, in Niedersachsen mit 10 Prozent und in Rheinland-Pfalz mit 10,4 Prozent verzeichnet. Dennoch waren auch in diesen Bundesländern die Abiturnoten so gut wie nie zuvor. In Bayern gab es 2025 besonders erfolgreiche Landkreise, was den Abitur-Schnitt angeht. 

Politik schaltet sich im Abitur-Debatte ein – Meinungen zum Bildungssystem sind gespalten 
Die Debatte hat auch die politische Arena erreicht. „Die Noteninflation an Deutschlands Schulen muss gestoppt werden“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß der Rheinischen Post. Während Vertreter der Union eine Entwertung des Abiturs in der Entwicklung sehen, betrachtet die Linke die Zahlen als eine Verbesserung des Bildungssystems. Notenvergabe sei ohnehin subjektiv. Die SPD nimmt in der Umfrage eher eine Mittelposition ein. Es sei ein Zeichen zunehmender, aber im internationalen Vergleich immer noch nicht ausreichender Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Harte Prüfungsvorbereitungen verdienten Respekt, heißt es aus den Reihen der Sozialdemokraten. Untersuchungen zeigen, dass es in Deutschland große Unterschiede beim Bildungsstand in der Bevölkerung gibt. Probleme beginnen meist schon im Grundschulalter. 
Es bleibt abzuwarten, ob und wie politische Entscheidungsträger auf die Kritik reagieren werden. Eine mögliche Überprüfung der Bewertungsstandards oder eine Reform des Abitursystems könnten Folgen dieser Diskussion sein. Die Debatte um das Einser-Abitur spiegelt letztlich größere Fragen der Bildungsgerechtigkeit und -qualität wider. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes, der sowohl Leistung honoriert als auch Chancengleichheit fördert. 

 merkur: 26.07.2025

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