Düsseldorf. Grundschüler schneiden im Lesen seit Jahren schlechter ab. Schuld sind nicht nur die Folgen der Pandemie-Maßnahmen. Auch die Bedingungen, unter denen Kinder außerhalb der Schule lernen, sind schlechter geworden. Armut und Migration spielen dabei eine Rolle. Das beleuchtet eine aktuelle Untersuchung.
Grund für den Rückgang der Lesekompetenz von Grundschülern sind neben den Schulschließungen während der Corona-Pandemie vor allem verschlechterte Lernbedingungen außerhalb der Schule. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität Dortmund. Schulschließungen hätten einen großen Beitrag zur Verschlechterung der Fähigkeiten der Kinder geleistet, teilte die Universität mit, sie „reichen jedoch nicht aus, um den Rückgang der Lesekompetenz in Europa zu erklären“. Die finanziellen Mittel der Eltern, Mehrsprachigkeit in Familien und die Digitalisierung spielten besonders in Deutschland eine große Rolle.
Grundlage für die Untersuchung waren Daten aus 18 europäischen Ländern, die bei den internationalen Grundschul-Lese-Untersuchungen (Iglu) von 2016 und 2021 erhoben wurden. Bei der Analyse der verschlechterten Ergebnisse fiel auf: Offenbar wirkten sich begrenzte finanzielle Mittel der Familien deutlich negativ auf die Lesekompetenz der Kinder aus. Wer genügend Geld verdiene, könne seinen Kindern beispielsweise mehr Bücher kaufen oder ihnen einen Schreibtisch bereitstellen. Kinder, denen diese Materialien fehlen, weil die Eltern sie sich nicht leisten können, haben es schwerer, so die Studie. Durch Migrationsbewegungen sind seit 2015 viele junge, sozio-ökonomisch benachteiligte Familien in Deutschland angekommen. Die Lernmöglichkeiten ihrer Kinder seien oft eingeschränkt, heißt es.
Auch die Mehrsprachigkeit in Familien hat in Deutschland zugenommen, und den Daten nach hat das Auswirkungen. Viele Kinder sprechen zu Hause eine andere Sprache als im Unterricht. „Der geringe Kontakt mit der Unterrichtssprache ist eine Herausforderung für den Leseerwerb“, teilte die TU Dortmund mit. Zuletzt führt die Studie die Digitalisierung als Grund dafür an, dass Kinder schlechter Lesen können. Durch vermehrte digitale Angebote läsen Eltern selbst weniger. Kinder hätten dadurch seltener Zugang zu Büchern.
„Lesekompetenz ist eine Grundvoraussetzung für Bildungserfolg, gleichberechtigte Teilhabe und gesellschaftliche Integration – wer hier zurückfällt, wird nicht mehr richtig aufholen können“, sagte Ayla Çelik, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, zu den Ergebnissen. Mehrsprachigkeit und Armut korrelierten beispielsweise im Ruhrgebiet häufig. „In diesem Kontext möchte ich insbesondere darauf hinweisen, dass Mehrsprachigkeit kein pädagogisches Problem ist – Armut ist es aber“, betonte Çelik zugleich.
Sie forderte: Mehrsprachige Bildung müsse gefördert werden, gerade unter Berücksichtigung der sozialen Realitäten in NRW. Das Land müsse in pädagogisches Personal, kleinere Klassen und Sprachförderprogramme investieren. Çelik sieht zwar eine Mitverantwortung bei den Eltern für die Bildungsentwicklung ihrer Kinder. Diese Verantwortung dürfe aber nicht überfordert werden. „Der Staat ist in der Pflicht, familienunterstützende Maßnahmen bereitzustellen: frühzeitige Beratung, Familienzentren, Zugang zu Büchern und digitalen Angeboten – kostenfrei und niedrigschwellig“, so die Gewerkschafterin.
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