Mittwoch, 17. Dezember 2025

Arbeitgeber wollen Daten zu Schulleistungen erfassen lassen

Vor dem Beginn der Bildungsministerkonferenz (BMK), die an diesem Donnerstag in Berlin tagt, haben die Arbeitgeber die konsequente Erhebung und Nutzung von Bildungsdaten gefordert. In einem Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), das dem Handelsblatt vorliegt, heißt es: „Lehrkräfte brauchen Informationen zum individuellen Förderbedarf, Schulleitungen brauchen sie zur Gesamtentwicklung der Schulqualität und die Bildungspolitik zur Wirksamkeit von Maßnahmen.“ Der Vorschlag der Arbeitgeber: Die Ausgangslagen der Schülerinnen und Schüler sollen online erfasst werden. Eine moderne Lernmanagementsoftware wertet den Leistungsstand aus und zeigt den konkreten Förderbedarf auf. Im Idealfall schließen sich Angebote für Nachhilfe automatisch an. „Das Ausfüllen von Excel-Tabellen am Feierabend ist mit Datenerfassung nicht gemeint“, heißt es in dem BDA-Papier. 

BDA: Schulleistungen sind „alarmierend“
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte dem Handelsblatt: „Die Schulleistungen in Deutschland sind alarmierend – wir brauchen einen echten Neustart in der Bildungspolitik.“ Kein junger Mensch dürfe „durchs Raster“ fallen. Nötig seien verbindliche Leitziele, klare Kennziffern und eine „Kultur der datengestützten Schulentwicklung“. „Nur so können wir Basiskompetenzen sichern, Leistungsschwächen abbauen und Talente fördern“, sagt Dulger. Die Arbeitgeber beklagen, dass zu viele Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. 20 bis 25 Prozent erwürben nicht die notwendigen Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik. Sämtliche Schulleistungsstudien zeigten eine dramatische Lage. Zudem sei die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft ungebrochen hoch. 
Die Arbeitgeber fordern: 
  • Schüler-ID einführen: Mit dem ersten Eintritt ins Bildungssystem soll jedes Kind eine Kennung bekommen. In der Schule erhobene Daten zeigen dann den individuellen Förderbedarf. Die Lehrer können gezielt auf Schwächen und Stärken eingehen. Eltern erhalten Feedback. Anhand der Daten soll ein „Bildungsverlaufsregister“ die Stationen zeigen, also Schulbesuche, Ausbildung oder Studium. Auch Analysen über längere Zeiträume sollen möglich sein, etwa zu Abbrüchen oder Übergängen. Dabei gilt: Daten dürfen den Klassenraum nur anonymisiert verlassen. Der Datenschutz ist stets zu gewährleisten. Die Schüler-ID soll bundesweit kompatibel sein. 
  • Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen: KI soll helfen, Lernausgangslagen zu erheben, Leistungsschwächen auszugleichen und besondere Stärken zu fördern. Ein KI-Tutor oder „Buddy“ für jeden Schüler kann individuelles Training anbieten. Die dabei entstehenden Daten können – zielgerichtet, datenschutzkonform und anonymisiert – auch zur Weiterentwicklung von Lernsoftware und Unterricht genutzt werden.
  • Berufliche Orientierung stärken: Der Verbleib der Schüler nach der Schule soll systematisch erfasst werden. So kann die Berufs- und Studienorientierung an der Schule überprüft und die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Berufswelt verbessert werden. Die Arbeitsagenturen können jungen Menschen Angebote machen. Ziel müsse es sein, Unterricht, Schulqualität und Bildungsgerechtigkeit systematisch zu verbessern, heißt es in dem BDA-Papier. Arbeitgeberpräsident Dulger fordert, die datengestützte Schulentwicklung entschlossen anzugehen: „Ein gemeinsamer Bildungsgipfel von Bund und Ländern ist überfällig – für bessere Startchancen junger Menschen und die Zukunft unseres Landes.“ 

BMK-Präsidentin fordert Schutzmaßnahmen
Die schwarz-rote Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Einführung „einer zwischen den Ländern kompatiblen, datenschutzkonformen Schüler-ID“ zu unterstützen. Betroffen wären etwa 11,4 Millionen Schüler. Eine solche Datensammlung wurde schon vor 20 Jahren diskutiert, seinerzeit aber wegen Datenschutzbedenken verworfen. Die Präsidentin der Bildungsministerkonferenz, Simone Oldenburg (Linke), sagte auf Anfrage des Handelsblatts zum Umgang mit Schülerdaten, für sie gelte der klare Grundsatz „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Daten könnten dazu beitragen, Lernstände sichtbar zu machen und passgenaue Förderung zu unterstützen. 

„Gewaltige Chancen“ durch KI 
 „Jedoch dürfen Entscheidungen über Leistungen, Versetzungen oder Bildungswege nicht durch Dritte – also auch nicht durch die Künstliche Intelligenz – getroffen werden“, sagte Oldenburg, die auch Bildungsministerin in Mecklenburg-Vorpommern ist. „Wo lernbezogene Daten verarbeitet werden, braucht es Schutzmaßnahmen, unabhängige Qualitätsprüfung und menschliche Kontrolle.“ Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler), die im kommenden Jahr das Amt der BMK-Präsidentin übernimmt, sieht vor allem „gewaltige Chancen“ von KI. Die Schule sei ein Ort, an dem junge Menschen in einem geschützten Rahmen an KI-Anwendungen altersgemäß herangeführt würden. Stolz sagte dem Handelsblatt: „KI kann niemals eine Lehrkraft ersetzen, und sie darf auch kein Selbstzweck sein.“ Aber pädagogisch richtig eingesetzt, könne sie Schulfamilien ganz gezielt unterstützen und entlasten.

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