Samstag, 2. Februar 2019

„Ein Schülerlabor wäre toll“ - Wenn aus der Brennpunktschule eine "Talentschule" wird

Düsseldorf. Wer in Marxloh aufwächst, hat es nicht leicht. Verwahrloste Häuser, Clan-Kriminalität, alltägliche Gewalt. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Es sind auch Menschen wie Holger Rinn, die den Stadtteil prägen. Rinn ist Schulleiter des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums (EHKG), einer Schule mit rund 870 Schülern. „Wir bekommen immer wieder Schüler, die nicht die besten Voraussetzungen haben, aber am Ende mit einem schönen Schulabschluss aufwarten.“ Jeden Tag stehen die 75 Lehrer vor besonderen Herausforderungen. Die Nachricht, dass ihr Gymnasium nun als Talentschule auserkoren wurde, gibt ihnen einen Schub. Von dem Programm erhofft sich Rinn mehr Bildungsgerechtigkeit. Rinn hat einen Traum: „Ein naturwissenschaftliches Schülerlabor wäre toll.“ 

Das EHKG ist eine von 35 Schulen in NRW, die von einer zwölfköpfigen Jury in einem ersten Schritt zur sogenannten Talentschule gekürt wurden. Aus 149 Bewerbungen wurde die Marxloher Schule ausgewählt, zum kommenden Schuljahr kann sie an den Start gehen. Wer den Zuschlag bekommen hat, musste sich für eines von zwei Konzepten entscheiden: Entweder Mathematik und die Naturwissenschaften zu stärken oder den kulturell-sprachlichen Bereich. Es ist ein auf sechs Jahre angelegter Schulversuch, für den die Landesregierung jährlich 22 Millionen Euro in die Hand nimmt. Für die insgesamt geplanten 60 Talentschulen in sozial benachteiligten Stadtvierteln soll es über 400 zusätzliche Stellen für Lehrer und Sozialarbeiter sowie 150 000 Euro für Fortbildung geben, 2500 pro Schule. Jede Talentschule soll besondere pädagogische Konzepte umsetzen. Die Schulen sollen die Eltern stärker einbinden und sich im Stadtviertel vernetzen, etwa mit Grundschulen, der Wirtschaft oder Talentscouts. 
Doch das Konzept trifft nicht überall auf Begeisterung. Bei der Landesschülervertretung hieß es: „Nur 60 Schulen zu stärken, das ist ungenügend. Es ist noch dazu absurd, dass die Mehrheit der Schulen, die eine Förderung wirklich nötig hat, nichts aus dem Topf abbekommt“, sagte Vorstandsmitglied Timon Nikolaou. Positiv äußerte sich der Verband lehrer nrw: „Dieser Ansatz ist neu und verdient eine Chance. Schüler und Schulen, die mit schwierigen Voraussetzungen zu kämpfen haben, können zeigen, was mit einer breiteren und intensiveren Förderung möglich ist“, so die Vorsitzende Brigitte Balbach. 
Die Gesamtschule Köln-Mülheim ist inklusiv ausgerichtet. 815 Schülerinnen und Schüler werden an zwei Standorten unterrichtet. Zum Kollegium gehören 84 Lehrkräfte und zwei Sozialarbeiter. Durch Kooperationen gibt es unter anderem Instrumentalunterricht und Musikprojekte. Schulleiterin Monika Raabe sagt: „Gerne möchten wir den Kulturbereich weiter ausbauen.“ 
Das Heinrich-Mann-Gymnasium Köln-Volkhoven-Weiler im Kölner Norden besuchen 1171 Schülerinnen und Schüler. 120 Lehrkräfte und ein Sozialarbeiter engagieren sich dort. Bei 75 Prozent der Schüler haben beide Elternteile einen Migrationshintergrund. „Die Auswahl als Talentschule zeigt Wertschätzung für die Arbeit des Kollegiums und bestärkt uns“, sagt Birgit Bauer, stellvertretende Schulleiterin. Die zusätzlichen Mittel will sie unter anderem für die mediale Ausstattung verwenden. In Siegburg ist Gesamtschulleiter Jochen Schütz „hocherfreut“ angesichts der Mitteilung aus Düsseldorf. Zusätzliche Mittel und Kapazitäten wolle man in den kulturellen Schwerpunkt investieren. Dabei könne insbesondere Theaterspiel das Selbstwertgefühl der Schüler steigern und somit auch ihre Leistungsfähigkeit. Weitere Bausteine seien die Förderung der Hauptfächer und das Thema Neue Medien. Derzeit unterrichten 52 Lehrer 660 Schüler. (dah/ah)

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