Dienstag, 25. November 2025

Schlimme Zustände an der Karolina-Burger-Realschule - ein Lehrer packt aus

Gewalt auf den Gängen und im Hof, verzweifelte Lehrkräfte - die Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen war am Donnerstag auch Thema im Bildungsausschuss des Landtags. Wie schlimm es tatsächlich ist, hat eine Lehrkraft dem SWR erzählt. 
Die Lehrkraft möchte anonym bleiben. Die Angst vor Disziplinarverfahren oder internen Repressionen ist zu groß, wie sie im Interview erklärt. Und doch: Das Maß ist so voll, es muss nun geredet werden, sagt sie. Über die Gewalt an der Schule. Über die Unmöglichkeit, einen irgendwie gearteten Unterricht zu machen. Über weinende Kollegen und Kolleginnen. Über das Gefühl der Ohnmacht. "Ich sehe und sah weinende Kolleginnen und Kollegen. Sie empfinden die Situation zunehmend aussichtslos. Die Kräfte schwinden eklatant", beschreibt die Lehrkraft die Stimmung im Kollegium der Karolina-Burger-Realschule plus in Ludwigshafen. Aber was ist eigentlich tatsächlich so schlimm dort?

Die Schüler - ohne Bücher, ohne Hefte, ohne Stifte
Die Schülerinnen und Schüler seien oft gänzlich ohne Materialien da, ohne Bücher, ohne Stifte, ohne Papier. Die einfachsten Regeln des Zusammenlebens seien nicht bekannt. Genauso wenig wie die einfachsten Rechenregeln. Die Kinder könnten oft weder lesen noch schreiben. "Sie können die Grundrechenarten nicht und sollen komplexe mathematische Aufgabenstellungen lösen. Wir sind im Prinzip eine Förderschule mit einer Klassengröße von 30 Schülern und einer Lehrkraft", so die Lehrkraft. Die Karolina-Burger-Realschule in Ludwigshafen ist bundesweit in die Schlagzeilen geraten - nach einem Brandbrief von Lehrern. Das sagen die Schülervertreter. 

Der Unterricht - Kinder und Jugendliche werden irgendwie beschäftigt 
Ein geregelter Unterricht sei aufgrund des Verhaltens der Schülerinnen und Schüler gar nicht möglich. Unterrichtsziele seien nicht erreichbar. "Man plant so, dass alle unverletzt rauskommen und irgendwie beschäftigt sind", erklärt die Lehrkraft der Karolina-Burger-Realschule plus.

Die Gewalt und die Ohnmacht 
"Gewalt ist Alltag", sagt die Lehrkraft gegenüber dem SWR. Als Lehrer oder Lehrerin müsse man jeden Tag Schlägereien in den Gängen 'übersehen', um schnell ins eigene Klassenzimmer zu gelangen, um dort das Schlimmste zu verhindern. "Kinder werden auch oft unter Druck gesetzt, Zeugenaussagen nicht zu machen", erzählt die Lehrkraft. Fliegen Böller auf dem Hof, bilden Schüler eine Menschen-Mauer um die Lehrkraft, die Aufsicht hat. "Bis man da ist, sind die Täter unsichtbar", so unsere Quelle. 

Wir sind nicht mehr in der Lage, diese Dinge zu kontrollieren 
Lehrkraft an der Karolina-Burger-Schule "Wir sind nicht mehr in der Lage, diese Dinge zu kontrollieren. Wir versuchen, die Kinder und uns zu schützen, aber es geht unter diesen Bedingungen nicht", so die niederschmetternde Erkenntnis der Lehrkraft. 

Die Versuche, etwas zu ändern, und was daraus geworden ist 
Man habe schon Dutzende von Brandbriefen an die zuständige Aufsichtsbehörde, der ADD in Trier, geschrieben, in der Hoffnung, es werde sich etwas ändern. Geschehen sei nichts. "Wir sind müde davon, dass jemand von der ADD eine Stunde zu uns kommt und danach ist alles, wie es vorher war", erklärt unsere Quelle. Das Kollegium habe sich sowohl im Mai dieses Jahres, als eine Schülerin eine Lehrerin mit einem Messer bedrohte, als auch nach der Amoklage Ende Oktober, völlig allein gelassen gefühlt. Der Vorfall im Mai sei ein "Kipppunkt" gewesen, seitdem ginge es vielen Kollegen und Kolleginnen deutlich schlechter. Schüler vom Unterricht auszuschließen oder ganz aus der Schule zu werfen, käme selten vor. Der bürokratische Akt sei zu aufwendig: Gesamtlehrerkonferenzen, Einladungen der Eltern - "wir sparen uns das für die krassesten Fälle. Würden wir für jeden Regelübertritt eine Konferenz machen, wären wir 24/7 in der Schule", schätzt die Lehrkraft die Lage ein. 

Was fordern die Lehrer und Lehrerinnen? 
Die Stadt müsse für mehr Sicherheit vor Ort sorgen. Es bräuchte eine Kameraüberwachung auf den Gängen. Pro Klasse dürften es maximal 18 Schülerinnen und Schüler sein. Das Jugendamt müsse viel stärker unterstützen. Mehrere Schulpsychologen müssten ihr festes Büro in der Schule haben. "Das Jugendamt scheint auch überfordert. Eine weibliche Schulsozialarbeiterin kann sich seit Jahren nicht etablieren, die Frauen verlassen spätestens nach einem Jahr die Schule, eher früher", so die Lehrkraft. 

Gibt es Hoffnung? Nein! 
"Ich bin desillusioniert. Es geht hier nämlich um Geld und das stellt weder die Kommune noch das Land in ausreichendem Maß zur Verfügung für Bildung. Die Folgen werden die nachfolgenden Generationen spüren. Und die Folgen werden katastrophal sein - und unbezahlbar", blickt die Lehrkraft in die düstere Zukunft.

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