Die Macher des neuen Mathematik-Tests für Baden-Württembergs Viertklässler hatten offenbar damit gerechnet, dass viele Schülerinnen und Schüler vor Ende der Prüfungszeit alle Aufgaben lösen würden. Denn neben den Testfragen erhielten die Schüler ein Zusatzblatt mit einem Sudoku-Rätsel. Damit sollten sie sich die Zeit bis zum regulären Ende des 45-minütigen Tests vertreiben können.
Doch zum Sudoku kamen die wenigsten, als Ende November 2024 landesweit knapp 100 000 Viertklässler den Test Kompass 4 schrieben. Überraschend viele scheiterten an den Aufgaben oder den Zeitvorgaben. Laut ersten Ergebnissen erreichten im Fach Mathematik nur sechs Prozent der Viertklässler das gymnasiale Leistungsniveau. Dabei lag die Übergangsquote aufs Gymnasium zuletzt bei etwa 44 Prozent. Und nun sagen die Stichproben, dass 86 Prozent lediglich auf Hauptschulniveau rechnen können und acht Prozent auf Realschullevel.
Die Ergebnisse in Deutsch fielen nicht ganz so verheerend aus
Angesichts der Diskrepanz bedarf es keiner großartigen mathematischen Fähigkeiten, um zu erahnen: Da ist etwas gewaltig schiefgelaufen. Die Frage ist nun: Was? Und Eltern und Schüler wollen wissen: Was folgt daraus?
Dass die Ergebnisse im ebenfalls getesteten Fach Deutsch nicht ganz so verheerend ausfielen, ist für viele Eltern kein Trost. Denn Kompass 4 ist Teil der neuen, verbindlichen Grundschulempfehlung, die näher rückt. Und damit relevant für die Schulkarriere eines ganzen Jahrgangs.
Die neu konzipierte Empfehlung hat drei Komponenten: die Einschätzung der Lehrkräfte, den Elternwillen und Kompass 4. Dabei reicht es, wenn zwei Komponenten übereinstimmen. Wenn die Klassenkonferenz also das Gymnasium empfiehlt und die Eltern es ebenfalls als passende Schulart sehen, steht die Gymnasialempfehlung, unabhängig vom Testergebnis.
Kinder, die aufs Gymnasium wollen, aber weder eine Empfehlung der Klassenkonferenz erhalten noch den Test auf Gymnasialniveau bestehen, haben trotzdem noch eine Chance: Sie können den Potenzialtest machen, eine Aufnahmeprüfung für ihre Wunschschulart. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) versucht daher, die Eltern mit dem Argument zu beruhigen, dass es gar keine Nachteile für die Viertklässler gebe, die bei der Kompass-4-Premiere verzweifelten.
Es gibt offenbar ein generelles Problem mit Mathe
Am Instrument selbst wollen Schopper wie auch der Koalitionspartner CDU festhalten. „Wir stellen Kompass 4 nicht infrage, wir sehen aber erheblichen Verbesserungsbedarf“, sagt der CDU-Bildungsexperte Andreas Sturm. Die Ministerin hat versprochen, den Test weiterzuentwickeln. Die Rückmeldungen der Lehrkräfte ließen darauf schließen, dass die Aufgaben teils zu anspruchsvoll und die Bearbeitungszeit zu knapp bemessen gewesen seien. Gleichzeitig zeigten fast alle Bildungsstudien, dass es ein generelles Problem mit Mathematik gebe, sagt Schopper.
Nicht nur die Testaufgaben, so darf man die Ministerin wohl interpretieren, sollen besser werden. Sondern auch die Mathematik-Leistungen der Schüler.
Die Beschwichtigungsversuche der Regierung haben indes nur bedingt zur Beruhigung der Lage beigetragen. Die Unruhe sei groß, berichtet etwa die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Uns erreichen Anfragen von Eltern, die sich nach Empfehlungen für auf Schulrecht spezialisierte Anwälte erkundigen“, sagt der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Sebastian Kölsch. Es gebe bereits Nachhilfe-Anbieter, die spezielle Programme für die Potenzialtests bewerben, das könne es nicht sein. Er habe zudem die Sorge, „dass der Potenzialtest genauso schiefläuft wie Kompass 4“.
Kölsch rät der Landesregierung, in diesem „Übergangsjahr“ noch das bisherige Verfahren der Grundschulempfehlung anzuwenden. „Andernfalls wäre das neue Verfahren komplett diskreditiert.“ Bislang hatten die Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule das letzte Wort.
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