Düsseldorf. Unzufriedenheit mit den Schulen, immer schlechtere Abitur-Noten, zu wenig Lehrer, einer der letzten Plätze im bundesweiten Bildungsmonitor. Stellt sich die Frage: Bildung in NRW – Notstand oder Hoffnungsträger? Zu diesem Thema werden Wissenschaftler zum Wettstreit antreten.
Die Meldungen aus dem „Bildungsland NRW“ – so der griffige Online-Auftritt des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen – sind seit Jahren wenig vielversprechend. „Immer mehr junge Menschen fallen durchs Abitur“, „In NRW bewerten die Menschen die Schulen so schlecht wie in keiner anderen Region Deutschlands“, „Nordrhein-Westfalen schneidet in einer Bildungsvergleichsstudie erneut schlecht ab“, „Viele Schulleiter-Stellen unbesetzt“, „Schulsystem kaputt gespart“ – so lauten die Schlagzeilen. Grund genug, das Thema wissenschaftlich zu betrachten: Deshalb veranstaltet die Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post ihren zweiten „Wettstreit der Wissenschaftler*innen“ unter dem Motto „Bildung in NRW – Notstand oder Hoffnungsträger?“. Am 20. Januar werden im Düsseldorfer Haus der Universität fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Hochschulen und Fachrichtungen unterschiedliche Aspekte des Themas Bildung in NRW beleuchten.
In freier Rede treten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann bei der öffentlichen Veranstaltung gegeneinander an. Anschließend vergibt eine Jury den Preis der Anton-Betz-Stiftung nach den Kriterien Verständlichkeit, Relevanz und Kühnheit. Der Wettbewerb versteht sich als Debatten-Beitrag zu einem gleichermaßen wissenschaftlich wie gesellschaftspolitisch aktuellem Thema.
Grundsätzlich schneidet Deutschland in internationalen Bildungs-Vergleichsstudien nicht gut ab – weder bei Schulen noch bei Hochschulen. Erst Anfang Dezember gab es ein Ergebnis in Sachen Mathematik und Naturwissenschaften: Deutsche Grundschüler lagen bei der „Timss“-Studie (Trends in International Mathematics and Science Study) im Mittelfeld. Und im renommierten weltweiten THE-Universitätsranking liegt die TU München als beste Deutsche Uni auf dem 26. Platz.
Wo der Notstand in Sachen Bildung in NRW am größten ist, zeigt der INSM-Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Nordrhein-Westfalen schneidet in der Bildungsvergleichsstudie 2024 erneut schlecht ab. Unter den 16 Bundesländern hat Sachsen demnach weiterhin das beste Bildungssystem in Deutschland, NRW landet auf Platz 14, gefolgt nur noch von Brandenburg und Schlusslicht Bremen. Verbesserungspotenzial bestehe in den Bereichen Betreuungsbedingungen, Ausgabenpriorisierung, Internationalisierung, berufliche Bildung und Bildungsarmut, so der Bildungsmonitor.
Die Betreuungsrelationen an den Bildungseinrichtungen fallen insbesondere an den Hochschulen, im Sekundarbereich I an den Gymnasien und in den Teilzeitberufsschulen besonders ungünstig aus. Im Jahr 2022 bestanden an den Hochschulen die zweitschlechtesten Betreuungsrelationen mit 24 Studierenden je Lehrkraft in Deutschland (Bundesdurchschnitt: 16,9). Gleichzeitig problematisch: In Nordrhein-Westfalen sind (Stand Dezember 2024) über 8000 Lehrerstellen unbesetzt – und jeder zweite Lehramtsstudierende bricht das Studium laut einer aktuellen Untersuchung ab. So gingen zu viele potenzielle Lehrkräfte verloren, die dringend gebraucht würden, so die Analyse „Lehrkräftetrichter“ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Dabei sei eine exzellente Ausbildung langfristig ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen den massiven Lehrkräftemangel.
Den Lehrkräftemangel sehen laut „ifo Bildungsbarometer“ auch knapp 80 Prozent der Einwohner von NRW als ernsthaftes oder sehr ernsthaftes Problem. 73 Prozent halten mangelnde finanzielle Mittel und rund 66 Prozent nicht ausreichend sanierte Schulgebäude für ernsthaft oder sehr ernsthaft problematisch.
Tatsächlich gibt NRW verhältnismäßig wenig Geld für seine Schülerinnen und Schüler aus: Die Bildungsausgaben je Grundschüler liegen laut Bildungsmonitor im Jahr 2024 rund 900 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Weitere Kritikpunkte der Studie: Vergleichsweise wenige Berufsschüler würden in Fremdsprachen unterrichtet. Der Anteil erfolgreicher Absolventen an allen Abgängern von Berufsfachschulen, Fachoberschulen und Fachschulen sei der niedrigste in Deutschland. Und: Viele Neuntklässler erreichten nicht die Mindeststandards im Lesen.
In welchen Punkten gibt es Hoffnung für die Bildung in NRW? Zunächst im Bereich Digitalisierung: Laut Bildungsmonitor schneidet Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich bei der Verfügbarkeit von schnellem WLAN an den Schulen ab. Außerdem ist das Land stark in der Ausbildung von Fachkräften im Bereich Informatik: Die Anzahl der neuen betrieblichen Ausbildungsverträge im IT-Bereich pro 100.000 Erwerbstätige fällt mit 59,7 höher aus als im bundesdeutschen Durchschnitt (49,6).
Das NRW-Bildungsministerium betont außerdem: In den Schulen von Nordrhein-Westfalen werde das Lesen inzwischen besonders gefördert. „Seit dem Schuljahr 2023/24 wird gezielt der Fokus auf die Förderung der Basiskompetenz Lesen gelegt. So wurde eine verbindliche Lesezeit von dreimal 20 Minuten in der Woche eingeführt.“ Hinzu kommt: NRW wird in Zukunft mehr Geld in die Schulen stecken. Mehr Geld für Personal, zur Verbesserung der Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern, zur Stärkung des offenen Ganztags und zur Schaffung von mehr Bildungsgerechtigkeit. Dies sind die Kernpunkte des neuen Schulhaushalts. Der Einzelplan „Schule“ des nordrhein-westfälischen Landesetats wächst von rund 22,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf rund 24,5 Milliarden Euro im Jahr 2025. „Wir stellen mit den Investitionen die Weichen für die Zukunft unserer Kinder“, betont Schulministerin Dorothee Feller. „Dieser Etat ist auch ein klares Bekenntnis der Landesregierung: Wir sparen trotz finanziell schwieriger Lage nicht an der Bildung.“
Der Schuletat ermögliche beispielsweise die Finanzierung von 2170 zusätzlichen Stellen an den Schulen. „Dieser Zuwachs trägt unter anderem zur Sicherung der Unterrichtsversorgung bei und bildet damit eine verlässliche Grundlage für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen“, so die Ministerin.
Eine weitere gute Nachricht: Der Hauptpreis des Deutschen Schulpreises 2024 geht nach Nordrhein-Westfalen. Die Förderschule Siebengebirgsschule in Bonn darf sich über diese ganz besondere Auszeichnung freuen, die mit 100.000 Euro dotiert ist. Drei der fünf weiteren Preisträgerschulen sind ebenfalls aus NRW. „Ein herausragendes Ergebnis“, so die Schulministerin, „das stellvertretend steht für die Arbeit unserer Schulleitungen, Lehrkräfte und am Schulleben Beteiligten, die sich täglich mit Herz und Sachverstand für ihre Schülerinnen und Schüler einsetzen“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen