Donnerstag, 10. April 2025

Kann man Intelligenz messen - und was heißt das für die Schule?

Kennen Sie Ihren Intelligenzquotienten? Wer im Internet surft, wird hin und wieder auf Werbeeinblendungen für Teststoßen, mit denen dieser ermittelt werden soll. Aber was ist Intelligenz überhaupt? Lässt sie sich messen und vor allem, ist sie von früher Kindheit an in Stein gemeißelt. Elsbeth Stern war rund 20 Jahre lang Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung an der ETH Zürich. Intelligenz lässt sich nicht einfach mal so schnell abschätzen, auch nicht zwingend von Lehrpersonen, selbst wenn diese eng mit Intelligenzkindern zusammenarbeiten. Darüber sprechen wir nun. 

Guten Tag Frau Stern. 

Ja, guten Tag Herr Meus. 

Frau Stern, wenn ich selbst einen IQ-Test anschaue, dann habe ich das sichere Gefühl, ich werde da massiv abschmieren. Da gibt es irgendwelche Logikfragen mit Formen, die man fortsetzen soll und ähnliches. Mir fehlt jedes räumliche Vorstellungsvermögen. Bin ich nun einfach dumm oder haben diese Tests mit Intelligenz gar nicht so viel zu tun? 

Also es gibt natürlich viele Tests im Internet, die sich Intelligenztests nennen, aber nicht wirklich den sogenannten psychometrischen Kriterien genügen. Die richtig guten Intelligenztests werden bewusst eben nicht veröffentlicht. Die Idee ist, sie sollen wirklich nur von Psychologen eingesetzt und ausgewertet werden, die eben auch die Ergebnisse sinnvoll interpretieren können. Also ich würde wirklich davor warnen, Internettests zu machen und dann das Ergebnis wirklich für wahre Münze zu nehmen. 

Man muss vielleicht sogar ein bisschen früher anfangen, aber es ist eine ziemlich große Frage, was ist denn Intelligenz überhaupt? 

Also das wissen wir eigentlich ganz gut. Es ist die Fähigkeit zum schlussfolgenden Denken, also zum logischen Denken. Es geht darum, dass ich aus bestehendem Wissen durch Regeln der Logik neues Wissen ableite und es hat auch mit der Effizienz von Informationsverarbeitung zu tun, wie gut ich schnell den Kern einer Sache verstehe und dann mich auf die Information konzentriere, die wirklich für das Problem wichtig ist. 

Das klingt nun nach etwas, das wir zum Teil mitgegeben bekommen, zum Teil aber auch aufbauen. Gibt es einen Zeitpunkt, ein Alter, ab dem die Intelligenz eines Menschen gewissermaßen gegeben und fixiert ist und danach geht nichts mehr in diesem Bereich? 

Das sagen wir mal so. Die Fähigkeit, Intelligenz zu entwickeln, ist uns mitgegeben, aber wir brauchen schon eine entsprechende Umwelt, so wie bei vielen anderen Merkmalen auch, um sie zu entwickeln. Unsere Körpergröße ist uns auch genetisch mitgegeben, aber wenn wir in der Jugend gehungert haben, dann erreichen wir nicht die Größe, die wir hätten erreichen können, wenn wir ausreichend ernährt worden wären. Das heißt, wer gute Bedingungen hatte, der kann sozusagen sein genetisches Potenzial voll ausschöpfen. Wer nicht so gute Bedingungen hatte, da weiß man nicht, ob er oder sie hätte mehr erreichen können, wenn die Umwelt besser gewesen wäre. 

Aber irgendwann lässt sich dann auch bei bester Umwelt nichts mehr steigern oder wie sieht das aus?

Ja, also man kann nicht über sein genetisches Potenzial hinausgehen. Also wer nicht so besonders gute genetische Voraussetzungen mitbringt, der oder die kann natürlich einen gewissen Bereich erreichen, aber nichts darüber hinaus. Also das ist der Punkt einfach, dass die Gene sozusagen oder die Genvariationen den Rahmen abstecken, den man erreichen kann. 

Wenn man mit Leuten diskutiert, dann erhält man den Eindruck, es gibt relativ wenige, die sich selbst nicht als sonderlich intelligent betrachten, aber es muss ja doch Unterschiede geben. Neigen wir alle tendenziell so ein bisschen zur Selbstüberschätzung bei dem Thema? 

Ja, also mehr als die Hälfte der Bevölkerung hält sich für überdurchschnittlich intelligent, was ja schon mal logisch nicht geht. Das Gleiche gilt übrigens auch für Autofahren und so weiter. Also Menschen neigen dazu, und es ist vielleicht auch gewissermaßen gesund, sich etwas zu überschätzen. Aber natürlich gibt es so große Unterschiede in der Intelligenz, dass man sie nicht einfach als über- oder unterdurchschnittlich sehen kann. Selbst im obersten Bereich, bei den obersten drei Prozent, gibt es noch sehr, sehr große Unterschiede in der Intelligenz und damit auch in dem Potenzial, das wir zur Verfügung haben, wenn es darum geht, bestimmte Dinge zu erreichen. 

Kommen wir zur Schule. Ein Laie denkt ja da gerne einfach gute Noten gleich hohe Intelligenz. Stimmt diese Gleichung aus Ihrer Sicht? 

Nein, die stimmt natürlich nicht. Es gibt eine Korrelation zwischen Schulnoten und Intelligenz und die ist wirklich nur mittelmäßig hoch. Das heißt, es gibt relativ viele Leute, die schlechtere Noten haben, als ihre Intelligenz eben hergeben würde und umgekehrt haben auch manche Leute bessere Noten. Dafür gibt es sehr, sehr viele Gründe. Einer ist natürlich, dass man durch Fleiß einiges, was ja auch gut ist, kompensieren kann oder aber, dass manche Leute faul sind und die Intelligenz nicht ausschöpfen. Aber es hat natürlich auch damit vielleicht zu tun, wie Lehrpersonen einfach benoten, ob sie wirklich nur Fleißarbeit benoten oder ob sie wirklich überhaupt in der Lage sind, logisches Denken und den Umgang mit Neuem zu erfassen. Also man muss unterscheiden zwischen Intelligenz und der Investition von Intelligenz in Wissen und ob man das macht oder nicht, hängt wie gesagt von sehr vielen Bedingungen ab. Und dann kommt es auch nochmal darauf an, was Lehrpersonen wirklich bewerten. Wir wissen beispielsweise in Physik, da wird sehr häufig nur bewertet, ob man mit Formeln umgehen kann, unabhängig davon, ob man was verstanden hat. Und deshalb haben wir sehr oft dort sogenannte Minderleister, Underachiever, die schlechtere Noten haben, weil der Physikunterricht sie nicht zufriedengestellt hat, weil sie einfach nicht angehalten wurden, wirklich Dinge zu verstehen und dann vielleicht keine Lust hatten, mit Formeln umzugehen, wo sie nicht die Grundlagen verstanden haben. Also von daher gibt es wirklich sehr viele Gründe, warum es nicht eine Eins-zu-eins-Investition der Intelligenz in Noten gibt. 

Dennoch sind natürlich Noten in unserem System sehr entscheidend, wenn es darum geht, welchen Weg man weiter einschlagen kann. Das heißt, dass Lehrpersonen neben den Noten auch das Potenzial eines Kindes abschätzen können müssten für den weiteren Weg. Können sie denn das? 

Nein, die Lehrpersonen haben nicht die Aufgabe, die Intelligenz abzuschätzen. Die Lehrpersonen haben die Aufgabe, guten, anregenden Unterricht zur Verfügung zu stellen, der die ganze Bandbreite der Intelligenz bedient. Das heißt, sie müssen dafür sorgen, dass schwächere Kinder die Minimalvoraussetzungen erreichen und dass stärkere Kinder eben mehr aus den Angeboten machen können. Das ist eine große Herausforderung, aber das ist sozusagen der Kern der Lehrerexpertise. Lehrer sollten sich nicht so viel Gedanken über Intelligenz machen, ob sie die abschätzen, sondern sie sollten einfach anregende und gute Lerngelegenheiten zur Verfügung stellen. Dann werden die Schülerinnen und Schüler im Idealfall eben entsprechend ihrer Intelligenz diese Angebote nutzen. 

Drücke ich es anders aus, vielleicht man muss sich die Intelligenz abschätzen können, aber das Potenzial, also merken, dass eigentlich mehr da wäre, als sich in den Noten widerspiegelt, das wäre ja schon ideal. 

Ja, natürlich. Also man muss eigentlich als Lehrperson, wenn man wo eine Klasse tritt, insbesondere in der Primarschule, wissen, dass man eine große Bandbreite von Intelligenz eben vor sich hat. Egal in welchem Stadtteil man unterrichtet, es ist einfach immer so. Und dann muss man gar nicht vorher abchecken, wer hochbegabt ist und wer nicht, sondern man muss sich eben immer wieder klar machen, ich habe Schülerinnen und Schüler, die werden bestimmte Dinge nicht beim ersten Mal verstehen. Also muss ich vielleicht manches dreimal erklären und ich weiß, die anderen haben schon verstanden, dann muss ich dafür auf der anderen Seite denen hin und wieder mal Aufgaben geben, die ja besonders anspruchsvoll sind. Ein Kollege hat es mal schön ausgedrückt, ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin kann besser in einer unbekannten Klasse differenzieren als ein schlechter in einer bekannten. Man muss einfach im Kopf haben, es gibt große Unterschiede im Lernpotenzial und meine Aufgabe ist es, diese Unterschiede zu bedienen. Und in der Primarschule hat man nun mal alles Schülerinnen und Schüler. Das heißt, da muss man wirklich überlegen, wie ich in jeder Stunde jedem Schüler irgendwann etwas gebe, was ihn oder sie weiterbringt. Und dann gibt es natürlich Schülerinnen und Schüler, wo man sagt, die fallen jetzt so weit aus dem Rahmen, das kann ich nicht auf Dauer leisten. Das heißt, manche brauchen extra Förderunterricht und andere brauchen dafür besondere Anregungen. Und da kann man auch die Lehrerinnen und Lehrer nicht allein lassen. Da muss die Schule oder überhaupt die Bildungsdirektion eine Idee davon haben, was man eben mit Schülerinnen und Schülern macht, die weit aus dem Rahmen fallen. Aber ansonsten ist einfach wichtig, dass man Unterschiede mitdenkt und ich muss nicht vorher IQ-Tests machen, sondern ich muss einfach wissen, wenn ich jetzt eine bestimmte Erklärung abgebe, dann werden das vielleicht nur fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler mal verstehen, aber auch dafür haben sie auch etwas gelernt. Und dafür würde ich dann wieder für die Schwächeren irgendetwas anbieten, nochmal eine Wiederholung, damit sie ein Stück weiterkommen. Also Differenzierung einfach mitdenken, das ist der Punkt. 

Sie haben ja auch schon in einigen Schriften gefordert, dass die schulische Selektion später als heute vorgenommen wird, also beispielsweise mit 15 als bereits zwischen 11 und 13 Jahren. Hängt das auch mit dieser Intelligenzfrage letztlich zusammen? 

Das hängt schon auch damit zusammen. Die Sache ist natürlich, dass wenn man eben ein mehrtätiges Schulsystem hat, dann macht man einfach immer Fehler bei der Zuordnung und das kann man schwer vermeiden, aber man sollte nicht zu viele Fehler machen. Und der Punkt ist natürlich einfach, wenn ich ein Gymnasium habe, wo ich denke, das sind die 20 Prozent Besten, dann sollte ich meinen Unterricht auch entsprechend ausrichten. Und dann gibt es auch einfach Schülerinnen und Schüler, wo man sagt, die gehören da eigentlich nicht dahin. In der Primarschule kann man nicht sagen, wenn jemand am ersten Tag nicht verstanden hat, was ich will, der gehört da nicht hin. Am Gymnasium soll man auch nicht so schnell zu dem Urteil kommen. Aber das Problem ist, wenn ich schon ein mehrtätiges Schulsystem habe, dann muss ich mir halt auch viel Gedanken darüber machen, wann. Es geht ja darum, Leute auf ein Universitätsstudium vorzubereiten. Und da muss ich wirklich mir genau überlegen, hat diese Person das Potenzial? Und zehn Jahre wie in Deutschland ist eindeutig zu früh. Zwölf Jahre könnte man im Prinzip damit anfangen. Aber es gibt schon noch relativ viele Kinder, die ihr Potenzial noch nicht voll entwickelt haben. Und andere, da ist eben das Problem, die werden so getrimmt oder lassen sich auch trimmen, dass sie dann die Prüfungen bestehen, aber eigentlich nicht das Potenzial mitbringen, was man dann aber eben erst später merkt. Aber ich bin auch nicht dafür, einfach so ganz strikt zu sagen, auf 15 eben setzen, wenn man vorher keine differenzierten Angebote machen kann. Also in Berlin hat man irgendwann mal den Versuch unternommen, bis zur sechsten Klasse die Kinder zusammenzulassen. Das musste man schnell wieder abbrechen, weil sich einfach nichts geändert hat. Und die Eltern zu Recht gesagt haben von den Kindern, die schon eben eher ein höheres Potenzial hatten, die haben sich jetzt schon vier Jahre gelangweilt, jetzt müssen sich noch zwei weitere Jahre langweilen. Also einfach nur an so einer äußeren Schraube zu drehen, macht im Allgemeinen die Sachen nur schlimmer. Das heißt, man muss von vornherein mitdenken, wenn wir weiter die Kinder zusammen behalten, wie kann ich sicherstellen, dass auch diejenigen, die ein gutes Potenzial mitbringen, dass die genügend Futter sozusagen kriegen. 

Wenn ja so, wie Sie auch sagen, Kinder und Jugendliche nicht alle im selben Alter gleich weit sind, wir aber dennoch weitgehend nach Jahrgängen beschulen, dann macht das ja auch irgendwie keinen Sinn. Müsste man viel durchlässiger werden im ganzen System? 

Ja, also da gibt es natürlich viele Möglichkeiten, die man eigentlich hätte. Deshalb wäre es auch nicht sinnvoll, jetzt auch noch jahrgangsweise Schulen einzuführen. Das ist genau der Punkt. Die Kinder sind einfach von Anfang an sehr unterschiedlich und jahrgangsübergreifender Unterricht kann eine Möglichkeit sein, wo man einfach niederschwellig, und das ist wichtig, dass man niederschwellig mal differenzierte Angebote macht und mal guckt, ob ein Kind vielleicht auch mal in zwei Klassenstufen höher mitlernen kann. Wenn es dann doch nicht klappt, dann ist es keine große Katastrophe, wenn man sagt, du kommst vielleicht doch wieder zurück in deine andere Klasse. Das ist dann eine ganz normale Erfahrung. Also man sollte viel mehr informell regeln können, sodass die Kinder nach und nach sich sozusagen kalibrieren können und selber auch ihr Potenzial entdecken. Und wenn sie bis zum 15. Lebensjahr wirklich Unterricht haben, der ihren Voraussetzungen entspricht, dann merken sie vielleicht selber auch, auch wenn die Eltern beide Matur- und Universitätsstudium haben, dass das nichts für sie ist. Und dann können sie auch stärker argumentieren, dass sie vielleicht eine andere Laufbahn einschlagen möchten. Medial spricht man ja meist über die Ausreißer, also hochintelligente Kinder, die unterfordert und gelangweilt sind. Aber das dürften ja Ausnahmen sein. Aber man erhält dann wieder den Eindruck, das ist das größte Problem. 

Wenn ich Sie richtig verstehe, müssten wir eigentlich in der breiten Mitte der Normalintelligenz irgendwo dieses Spektrum besser auffangen. Ja, völlig. Also es gibt nicht nur Lernschwierigkeiten und Hochbegabung, sondern die Unterschiede in der Mitte sind mindestens ab dem sogenannten Prozentrang 75, also bei den obersten 25 Prozent gibt es noch sehr viele große Unterschiede, die wir auch mit bedenken müssen. Wie kann denn jetzt eine Schule dem gerecht werden? 

Also man kann ein System bauen, man kann einzelne Lehrkräfte haben, die darauf achten, aber gibt es denn irgendwelche Möglichkeiten, das systematischer zu machen? Also ich glaube, man müsste einfach Unterschiede stärker in den Mittelpunkt stellen und mit Schulen erarbeiten, was man machen kann. Wie gesagt, jahrgangsübergreifender Unterricht ist eine sehr gute Sache, extra Angebote machen ist eine gute Sache, ja dafür sorgen, dass Kinder, die tatsächlich gerade in der Primarschule einfach mehr Zeit brauchen, da muss nicht die ganze Klasse dann noch in der dritten Klasse das Alphabet üben, wenn das alle können, da wäre es dann wirklich sinnvoll. Und das müssen gar nicht immer ausgebildete Lehrkräfte sein, die ja auch zu Recht gutes Geld verdienen. Da könnte man einfach Hilfspersonal einstellen, das mit Kindern liest und übt und da haben wir einfach noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. 

Sie sagen, man sollte Unterschiede sichtbar machen, aber das ist ja etwas, was das System heute irgendwie nicht möchte, man möchte ja, dass sich niemand schlecht fühlt, niemand besser fühlt, diese Nivellierung, beobachten Sie das auch?

Ja, also deshalb bin ich ja für niederschwellige Angebote, wo man nicht unbedingt einen Stempel aufgedrückt kriegt, sondern wo es einfach mal ganz normal ist, dass in einer Stunde eben mal manche Kinder ein Sonderangebot bekommen, was vielleicht von außen auch kommt, die eben besonders interessiert sind an Physik oder was auch immer und andere Kinder eben noch Lesen üben und mit den anderen macht die Lehrperson vielleicht mal die normalen Sachen. Also wir müssen einfach flexibler werden und loskommen von, dass wir immer nur jahrgangsweise unterrichten, also es ist einfach Flexibilität gefordert. Eltern sind ja oft voreingenommen, wenn es um die eigenen Kinder geht, aber es gibt vermutlich doch Fälle, wo man vielleicht sogar richtigerweise den Eindruck hat, Moment mal, die Noten meines Kindes, die bilden nicht das ab, wie ich das im Alltag erlebe, da würde mehr drinliegen. 

Was kann man denn in diesem Fall als Eltern machen? 

Also was ich in der Primarschule, da habe ich auch mal ein paar Daten erhoben, da sind die Noten ja so gut, mindestens so im Kanton Zürich, deshalb muss man ja Tests einführen zum Gymnasium. Also vor dem Hintergrund habe ich oft eher das Gefühl, dass die Noten eben ja häufig besser sind, als das Lernpotenzial der Schülerinnen und Schüler hergibt. Im Einzelfall, ich würde Eltern raten, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind kriegt schlechtere Noten, als seine Intelligenz hergibt, dass sie wirklich vom Schulpsychologischen Dienst mal eine Abklärung machen lassen und dann wirklich sehen, ob das Kind intelligenter ist, als die Schulnoten hergeben. 

Und da gibt es auch die Hoffnung bei sehr ehrgeizigen Eltern, dass man einen allfälligen Mangel an Intelligenz mit Fleiß kompensieren kann. Wie empfehlenswert ist denn das? 

Ja, im Prinzip ist es natürlich gut, wenn man etwas lernt, nur man muss eben sehen, ich kann zwar die Schülerinnen dazu bringen und die Schüler noch das Einmaleins zu lernen, aber wenn dann später die Mathematik abstrakter wird, dann ist es eben nicht mehr möglich. Das heißt, im Prinzip müsste man, wenn man als Eltern das Gefühl, also tief in ihrem Inneren wissen sie es auch, dass sie ihre Kinder weiterhin, wenn sie sehen, die bringen halt nicht die Intelligenz mit, können ja auch nichts dazu, dass sie eben schon über Berufs- und Ausbildungswege nachdenken, wo man stärker eben mit Fleiß etwas kompensieren kann und dann auch sehr, sehr gute Leistungen bringen kann. 

Also das ist ja das Schöne. Wir können in vielen Bereichen ein weniger an Intelligenz durch ein mehr an Fleiß eben kompensieren. 

Nur an der Universität hätte man idealerweise schon eher sehr intelligente Leute gern, die auch nicht mit Neuem überfordert sind, was eben weniger Intelligente sehr schnell sind. Das heißt, man musste tatsächlich überlegen, ja, was hat das Kind für Interessen und dann eben Ausbildungswege im Kopf haben, wo man dann auch wirklich sehr erfolgreich sein kann und auch viel Anerkennung bekommen kann, aber wo man nicht immer, wie es ja eigentlich in akademischen Berufen sein sollte, immer damit leben muss. Es gibt keine festen Regeln. Die Spielregeln werden während des Spiels verändert und ich muss mich einfach immer auf Neues einstellen. Das gibt es in vielen Bereichen und da sollte man doch eine recht hohe Intelligenz mitbringen, wenn man in diesen Bereichen erfolgreich sein will. Und auch ist auch für die Gesellschaft natürlich wichtig, dass Leute, die in hohen Positionen sind, nicht sagen, ja, also sorry, ich habe es mal so gelernt und ich bin jetzt nicht bereit, was anderes zu lernen. Also vor diesem Hintergrund ist es einfach wichtig, dass wir uns auch Gedanken darum machen, wie wir sicherstellen, dass Leute, die eben in hohe Positionen kommen, wo man Flexibilität braucht, dass sie auch die nötige Intelligenz mitbringen. 

Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Lehren und dem Lernen. Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken und Ihre Erkenntnisse auch nochmal anschauen von früher, haben wir uns als Gesellschaft in diesen Fragen weiterentwickelt oder drehen wir uns ein bisschen im Kreis? 

Ja, ich würde sagen, wir drehen uns vielleicht in einer Ellipse oder so. Also die Anerkennung dafür, dass es Probleme gibt und dass man nicht einfach sagen kann, früher war alles besser und wir sollten wieder auf früher zurück. Dafür ist die Sensibilität da. Also vor dem Hintergrund würde ich schon sagen, man sieht inzwischen, wie wichtig es ist, dass wir uns um Bildung Gedanken machen. Man sieht inzwischen, es gibt nicht einfach Rezepte. So sollte man es machen und dann wird alles wieder gut. Wir müssen sozusagen ein System haben, wo wir auch immer wieder checken, wenn wir eine Veränderung einführen, ob wir nicht Volldampf in die falsche Richtung gehen. Wir sollten es nicht weiter ideologisieren. Wir haben inzwischen sehr viele solide Erkenntnisse, beispielsweise, dass es einfach große Intelligenzunterschiede gibt, die man nicht einfach kompensieren kann und die man nicht einfach wegdiskutieren kann. Die sind nun mal da und im Prinzip hat ja die Schweiz wirklich ein sehr gutes System mit der Berufsbildung, mit einer sehr soliden Berufsbildung, wo man klare Ausbildungswege hat und wo man auch wirklich sehr erfolgreich sein kann. Also die Schweiz bringt sicherlich bessere Voraussetzungen mit, den Unterschieden, die Menschen mitbringen, gerecht zu werden, als es in den meisten anderen Ländern der Fall ist, wo man irgendwie ja Erfolg sieht, wenn 80 Prozent einen Universitätszugang erworben haben. 

Die Professorin Elsbeth Stern über die Entwicklung der Intelligenz bei Kindern und Jugendlichen und was das mit Blick auf die Schule bedeutet. Vielen Dank, Frau Stern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen