Sonntag, 20. April 2025

Professorin: "Junge Leute entwickeln ein völlig falsches Bild der Arbeitswelt"

Zümrüt Gülbay-Peischard ist Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Anhalt in Bernburg. In einem aktuellen Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) macht sie ihrem Ärger über heutige Studenten Luft. "Viele Studierende haben wirklich ein Organisationsproblem, überhaupt anwesend zu sein. Oft hat Privates Priorität", sagte sie dem Blatt. "Es gibt 15 Wochen denselben Stundenplan, dann erscheint jemand nicht zur Vorlesung mit dem Hinweis, 'heute wird unser Sofa geliefert'. Diese Arbeitshaltung kritisiere ich." 
"Kann nicht sein, dass sich bis zu 30 Prozent in Prüfungsphasen krankmelden" 
Studieren sei nun mal anstrengend, so die Professorin. In ihren Augen gehört "eine gewisse Leistungsbereitschaft" dazu. "Es kann nicht sein, dass sich in Prüfungsphasen bis zu 30 Prozent krankmelden. Ich sage dann: Das Studium ist Ihr Job! Auch ein Arbeitnehmer muss neben seinen 40 Arbeitsstunden alles unterbringen", sagte Gülbay-Peischard der "FAZ". Fleiß, so sieht es die Professorin, hat etwas mit Geisteshaltung zu tun. Sie ärgert sich nicht erst seit gestern über die Haltung einiger Studenten. Gülbay-Peischard hat über ihre Beobachtungen ein Buch geschrieben, es heißt "Akadämlich: Warum die angebliche Bildungselite unsere Zukunft verspielt". Im "FAZ"-Interview wird ihr Werk, das erst vor knapp einem Monat erschien, immer wieder thematisiert. So auch Gülbay-Peischards Meinung zu den Rechtschreib-Fähigkeiten vieler Studenten. 

"Die Rechtschreibung ist ein Trümmerhaufen" 
"Sprache fehlt, die Fähigkeit fehlt, konzentriert umfassend Texte zu lesen und zu begreifen. Die Rechtschreibung ist ein Trümmerhaufen", sagte die Professorin dem Blatt. "In der Allgemeinbildung gibt es große Lücken. Den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme zu kennen, gehört für mich zur Bürgerbildungspflicht. Viele kennen ihn nicht." Auch die Umgangsformen mancher Hochschüler machen Gülbay-Peischard fassungslos. "Mail an 'Hallo Prof', mein Name wird oft falsch geschrieben, unpünktliches Erscheinen, Brötchenmampfen im Seminar, Smartphone ständig im Blick, die 'Geduld' eines Kleinkindes haben, das erlebe ich", so die Juristin. 

"Eine akademische Ausbildung ist ein Privileg" 
Sie erzählt von einem besonders krassen Fall: "Einer wollte, dass ich für 60 andere die Vorlesung verlege, weil er parallel ein Willkommens-Meeting hatte." Gülbay-Peischard fehlt oftmals außerdem die Dankbarkeit dafür, überhaupt studieren zu dürfen. "Wir haben in Deutschland ein Bildungssystem, das weitgehend kostenfrei ist. Um die Hochschulausbildung zu finanzieren, zahlen Menschen Steuern", so die Wirtschaftsrechts-Professorin. "Eine akademische Ausbildung ist ein Privileg." Ihr Frust über viele heutige Hochschüler ist beim Lesen des Interviews spürbar. Die Ursachen für die fordernde Haltung, die häufig an den Tag gelegt wird, sieht Gülbay-Peischard einerseits in den Verhältnissen zu Hause. "Kinder werden überbehütet, ihnen werden keine Grenzen gesetzt und Hindernisse aus dem Weg geräumt", sagte sie der "FAZ". Andererseits bekämen junge Menschen durch Social Media "ein völlig falsches Bild der Arbeitswelt". 

Gülbay-Peischard hat keine Angst vor einem Shitstorm
"Ärzte ziehen nur in Gefolgschaft über den Flur. Kaffeerunden, Meetings, nachmittags wird die Akte angeguckt, Feierabend-Drink. In Akten blättern, im Café abhängen – gegen solche naiven Vorstellungen und Klischees kämpfe ich an." Angst vor einem Shitstorm hat die Juristin offenbar nicht. "Mir geht es um eine ehrliche Auseinandersetzung, einem fairen Streitgespräch stelle ich mich gerne", erklärte Gülbay-Peischard. Kollegen seien froh, dass sie über Tabu-Themen spreche. Denn: "Im ganzen Land gibt es Gesprächsbedarf."

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