Noch fünf Klausuren hätten gefehlt, dann hätte Sven
Lang seinen Bachelorabschluss in Wirtschaftsinformatik in der Tasche
gehabt. Doch eine Physikprüfung machte ihm einen Strich durch die
Rechnung: Als er zum dritten Mal durchfiel, wurde er exmatrikuliert. Zu
diesem Zeitpunkt war Lang 27 Jahre alt und hatte vier Jahre Studium an
der Fachhochschule Südwestfalen hinter sich.
Lang sah sich nach Alternativen um. Infrage gekommen
wären zum Beispiel ein Fach- oder Hochschulwechsel in ein anderes
Bundesland. In Nordrhein-Westfalen darf Lang keine Wirtschaftsinformatik
mehr studieren. Da ihm andernorts jedoch nur wenige seiner
Studienleistungen anerkannt worden wären, hätte er ein neues Studium
höchstens um ein Jahr verkürzen können. Auch eine normale
Berufsausbildung hätte bedeutet, dass er noch einmal drei weitere Jahre
bis zur Berufstätigkeit gebraucht hätte.
Ein Bekannter erzählte ihm dann von einem
Modellprojekt in Aachen, das den Namen "Switch" trägt. Es ermöglicht
Studienabbrechern aus den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften und Technik), die mindestens zwei
Semester studiert und 20 Credit Points gesammelt haben, sich in
eineinhalb Jahren zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung
ausbilden zu lassen. Mittlerweile sind 60 Unternehmen an dem Projekt
beteiligt. Diesen Sommer kommen die Ausbildungsgänge Fachinformatiker
für Systemintegration und Industriekaufmann hinzu.
Die Studienabbruchquote in Deutschland liegt bei 23
Prozent im Diplomstudium und 28 Prozent im Bachelorstudium, wie eine
aktuelle Studie der HIS-Hochschul-Informations-Systems GmbH zeigt.
Manche Studenten werden wie Lang aufgrund nicht bestandener Prüfungen
exmatrikuliert, andere entscheiden sich freiwillig für einen Abbruch.
Berufsberaterin Julia Funke aus Frankfurt am Main
erhält pro Woche zwei bis drei Beratungsanfragen von Studenten, die mit
dem Gedanken spielen, ihr Studium abzubrechen. Häufig haben diese nach
der Schule wenig Anleitung bei ihrer Entscheidungsfindung gehabt und
sich unter ihrem Fach etwas anderes vorgestellt. Doch wann sollte man
abbrechen und wann sollte man die Entscheidung noch einmal überdenken?
"Es kommt immer darauf an, welche Gründe dahinter stecken. Manchmal
hapert es auch an der richtigen Organisation des Studiums", sagt
Matthias Trüper, Gründer der Berliner Studienberatung Campusmondi. Wem
es gelingt, diese zu verbessern, der muss sein Studium nicht gleich an
den Nagel hängen.
Wer sich jedoch zum Studieren zwingen muss und das
Studium als Qual empfindet, sollte sich trauen, einen Abbruch in
Erwägung zu ziehen. "Viele Studenten, auf die das zutrifft, sind
ehrgeizig. Es scheitert nicht an den intellektuellen Anforderungen. Aber
sie haben überhaupt keinen Spaß an ihrem Studium", sagt Berufsberaterin
Funke. Nicht selten stehen diese sogar kurz vor dem Abschluss. "Ich
versuche dann zunächst, abzuklären, ob der Grund dafür die Angst vor der
eigenen Courage ist." Manch einer fürchte sich einfach vor dem nächsten
Schritt.
Wieder andere mögen zwar ihr Fach gerne, haben aber im Laufe ihres Studiums keinerlei Ideen entwickelt, was sie später beruflich damit anfangen könnten. Oft gewinnen diese Studenten neue Motivation, wenn ihnen Optionen aufgezeigt werden, was sie mit dem Studium machen können.
Wieder andere mögen zwar ihr Fach gerne, haben aber im Laufe ihres Studiums keinerlei Ideen entwickelt, was sie später beruflich damit anfangen könnten. Oft gewinnen diese Studenten neue Motivation, wenn ihnen Optionen aufgezeigt werden, was sie mit dem Studium machen können.
Doch nicht immer ist das möglich. "In jedem Fall
versuche ich, den Studenten die Angst vor der Lücke im Lebenslauf zu
nehmen oder davor, dass sie bereits zu alt für eine Umorientierung
sind", sagt die Beraterin. Studienberater Trüper rät, mit einem Wechsel
ganz offensiv umzugehen. "Schließlich ist es eine Stärke, einen Fehler
erkennen und darauf reagieren zu können. Jemand, der über diese
Fähigkeit verfügt, ist für manchen Personalchef viel interessanter, als
jemand mit einem glatten Lebenslauf."
Schwieriger wird es, wenn jemand auch im zweiten
Anlauf merkt: Dieses Studium ist nichts für mich. "Wer frisch von der
Schule kommt und blind an die Uni läuft, kann sich umorientieren. Dieser
zweite Ansatz sollte dann aber sitzen." Wer mehrfach wechselt, sollte
sich spätestens nach dem zweiten Mal fragen, ob es vielleicht nicht nur
am Fach, sondern auch an den Anforderungen eines Studiums allgemein
liegt.
Quelle: Kölner Rundschau vom 22.06.2012
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