Bis
zur Oberstufe gibt es keine Noten. Sitzenbleiben können Kinder auch
nicht. Statt mit üblichen Schulbüchern zu pauken, gestalten die Schüler
sogenannte Epochenhefte und werden im Fach "Bewegungskunst" (Eurythmie)
unterrichtet. Das sind nur einige Grundpfeiler der Waldorfpädagogik.
Waldorfschulen zählen in Deutschland zu den Einrichtungen in freier
Trägerschaft - oder kurz gesagt: Privatschulen. Zu ihnen gehören auch
konfessionell ausgerichtete Häuser oder Montessori-Schulen.
Privatschulen haben bei vielen Eltern einen besseren
Ruf als ihr staatliches Pendant. Sie erhoffen sich kleinere Klassen,
mehr Förderung und somit eine bessere Ausbildung ihrer Kinder. Studien
halten dagegen: Privat ist nicht per se besser, kann aber oft mit
weichen Kriterien wie dem Schulklima punkten. Ob eine private
Einrichtung für ihre Kinder das Richtige ist, hängt also davon ab,
welchen Schwerpunkt Eltern setzen wollen.
Für Sascha Eilmann (Name geändert) spielte vor allem
die Schulgemeinschaft eine Rolle. Auf der jetzigen Grundschule habe sich
sein Sohn Luis in der Klasse nicht besonders wohlgefühlt. Ab September
wird der dann Neunjährige die fünfte Klasse des privaten
Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin-Tiergarten besuchen. "Trotz des
Missbrauchskandals hat die Schule einen ziemlich guten Ruf. Ich glaube,
dass Luis dort sehr gut zurecht kommen wird", sagt Eilmann.
Viele Eltern assoziierten mit Privatschulen ein
anderes Lernklima, sagt Florian Becker vom Verband Deutscher
Privatschulen (VDP). "Sie kommen mit einer erlebten Unzufriedenheit von
anderen Schulen und erwarten, nun eine individuellere, direkte Ansprache
zu finden." Ein Pluspunkt sei außerdem, dass viele Privatschulen
Ganztagsunterricht oder Sprachförderung, Musik und Sportkurse anbieten.
"Viele Eltern finden es gut, wenn das gebündelt in der Schule
organisiert ist."
Ob musischer, sprachlicher oder religiöser
Schwerpunkt: In erster Linie sollten Eltern die Interessen und Neigungen
ihres Kindes berücksichtigen. Dabei sei es oft nicht leicht, zwischen
eigenem Interesse und dem des Nachwuchses zu unterscheiden: "Da gibt es
eine Diskrepanz", sagt Professor Manfred Weiß, emeritierter
Wissenschaftler am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische
Forschung (DIPF) in Frankfurt/Main.
Manche Eltern verfolgten einen "überzogenen
Bildungsanspruch". "Bei Kindern führt es aber zu Frustration und
Konflikten, wenn sie als einziges von ihren Freunden auf eine Schule
müssen, nur weil dort Latein als erste Fremdsprache angeboten wird."
In einer 2011 für die Friedrich-Ebert-Stiftung
erstellten Studie ging Weiß der Frage nach, inwieweit Privatschulen
qualitativ besser abschneiden. Das Ergebnis: Private und staatliche
Schulen unterscheiden sich in Bezug auf die Schulleistung kaum. Beim
Pisa-Test erzielten Privatschulen zwar ein höheres Leistungsniveau. Dies
liege aber weniger daran, dass die Schüler dort mehr lernten, sondern
an der sozialen Herkunft. Privatschulen haben einen geringen
Migrantenanteil, und die Schüler kommen aus Familien mit höherer
Bildung. Entscheidende Größe, ob Eltern ihr Kind auf eine Privatschule
schicken, sind der eigene Bildungsabschluss und die berufliche Stellung,
bestätigt auch eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft
(DIW). Das Einkommen ist dagegen weniger ausschlaggebend.
Neben dem Versuch, eine Schule zu finden, die zu den
Interessen des Kindes passt, sollten sich Eltern auch die Frage stellen:
Wie stark möchte ich eingebunden sein? Dies ist je nach
Selbstverständnis der Privatschule sehr unterschiedlich. In einem
zweiten Schritt sollten sich Eltern und Kinder selbst ein Bild von dem
Haus machen, mit Lehrern sprechen, nach Möglichkeit am Probeunterricht
teilnehmen, empfiehlt Becker. Hilfreich sei die Erfahrung anderer Eltern
oder sich im Kindergarten umzuhören.
Sollte das Kind auf der Privatschule nicht zurecht
kommen und wieder auf eine staatliche Schule wechseln wollen: Rechtlich
gesehen sei das kein Problem, erläutert Becker. Natürlich könne nicht
garantiert werden, dass die staatliche Schule um die Ecke gerade einen
Platz freihabe. Problematischer sei eher der Wissensstand. "Die
Lerninhalte auf staatlichen und Privatschulen sind dieselben, aber die
Vermittlung ist anders."
Nach dem Grundgesetz dürfen Privatschulen keine
kostendeckenden Schulgelder verlangen. Sind sie staatlich anerkannt,
erhalten sie eine staatliche Beihilfe. In vielen Fällen werden von den
Eltern darüber hinaus Gebühren erhoben: "Das kann sich auf 120 bis 180
Euro im Monat bei einer Ganztagesbetreuung belaufen", sagt Becker. Viele
Schulen staffelten die Beiträge nach Einkommen der Eltern.
Konfessionelle Schulen sind in der Regel günstiger. Auf Luis' Vater,
Sascha Eilmann, kommen beispielsweise nur 80 Euro monatlich an Kosten
zu.
Quelle: Kölner Rundschau vom 16.06.2012
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